Kein Jahr ist vergangen, da Christina O. ihre beiden Kinder verlor. Im August starben Line (9) und Marlene (10) in den Flammen, die ihr Vater in seinem Auto mit zehn Litern Benzin und einem Feuerzeug entfacht hatte. Seit Februar muss er sich wegen zweifachen Mordes vor dem Landgericht Potsdam verantworten. Die Anklage geht davon aus, dass Peter-Thue R. die Kinder umbrachte, weil sie gegen seinen Willen bei seiner Ex-Frau leben sollten.
Heute nun schilderte die 41-jährige Lehrerin aus Norddänemark dem Gericht ihre Sicht der Dinge. Die schlanke Dunkelhaarige spricht leise und überlegt, man spürt, wie sie sich um Fairness gegenüber dem Mann bemüht, der ihren Kindern etwas angetan hat, was sie sich in ihrer "wildesten Phantasie nicht habe vorstellen" können. Es ist das Protokoll einer neun Jahre währenden Ehe, deren Partner sich unterschiedlich entwickelten. Sie wollte sich trennen, er nicht. Der Konflikt, den das ehemalige Paar zunehmend über seine Kinder austrug, wurde für Marlene und Line R. zur Todesfalle.
Im Sommer 2009 trennte sich Christina O. nach einer gescheiterten Paartherapie. Schon vorher habe ihr Peter-Thue R. angekündigt, dass sie in diesem Falle nichts mitnehmen dürfe – kein Geld, keine Möbel und natürlich auch nicht die Kinder. Dennoch zog sie aus. Ihr Ex-Mann bekam das Recht zugesprochen, den Wohnort der beiden Mädchen festzulegen, diese sollten ihre gewohnte Umgebung nicht verlassen. Die Eltern einigten sich, die Töchter wöchentlich wechselnd zu betreuen, eine Regelung, die Line und Marlene gefallen habe. Peter-Thue R. habe sich sehr für seine Kinder engagiert, mehr als in der Zeit ihrer Ehe, meint seine Ex-Frau: "Manchmal kam es mir vor, wie ein Wettbewerb."
"Jeg smadrer dig"
Als er eine neue Frau kennenlernte, schien sich die Lage zu entspannen. Auch Christina O. fand einen neuen Mann, mit dem sie heute verheiratet ist. In den folgenden Monaten aber zerbrach die neue Beziehung von Peter-Thue R., er verlor seinen Job als Lehrer an einer Internatsschule, er konnte den Hof nicht mehr halten, den das einstige Paar vor über zehn Jahren in ruinösem Zustand gekauft und nur halbfertig saniert hatte. Christina O. dagegen heiratete und zog in ein großes, nicht reparaturbedürftiges Haus. "Ein schöner Platz zum Leben, das war Thues Traum gewesen. Es hat nicht geklappt. Jetzt klappte es aber bei mir", berichtet die Zeugin. Sie habe den Eindruck gehabt, dass ihr Ex-Mann angesichts ihres Erfolgs immer missgünstiger und verbitterter wurde.
In dieser Zeit kam es zu einer Begegnung des einstiges Paares, an deren Ende er sie gepackt und auf den Boden geworfen habe: Sie war zu ihm gekommen, um die Reisepässe der Mädchen zu bringen. Sie habe in den Dokumenten geblättert, die er verlangte und habe nicht an den ausgestreckten Arm seiner etwas größeren Ex-Frau herangereicht, so berichtet es seine Tante im Zeugenstand. Er sei sehr wütend geworden und habe gesagt: "Jeg smadrer dig", was so viel wie: "Ich zerschmettere dich" heißt.
"Seine Augen leuchten vor Wut"
Damals beschloss er auch, in die 150 Kilometer südlicher gelegene Stadt Fredericia zu ziehen, einen Plan, den seine Töchter zunächst begrüßten, ihm dann aber immer skeptischer gegenüberstanden. Ihr Vater argumentierte mit den besseren Schulen und Freizeitangeboten, die Mädchen aber hatten Angst, ihre Freunde zu verlieren. Als ihre Älteste deswegen am Weihnachtsabend 2010 zusammenbrach, beantragte Christina O. das Recht, zukünftig den Wohnort ihrer Töchter bestimmen zu dürfen. Vor dem Hintergrund der väterlichen Umzugspläne sprach man ihr dieses Recht einen Monat vor dem Tod ihrer Kinder zu.
Peter-Thue R. hatte nun alles verloren. Er war unfähig, nach einem Kompromiss zu suchen und befeuerte ein Tauziehen um seine Töchter, deren trauriger Höhepunkt an deren Todestag erreicht wurde. Mehrfach schaltete seine Ex-Frau auch die Polizei in die Auseinandersetzungen ein, sie habe "bange Ahnungen" bekommen und sich vor ihm gefürchtet. "Wenn ihr Thue sehen würdet", schrieb sie an die Polizei. "Seine Augen leuchten vor Wut und Hass, sein Körper ist breit und bedrohlich vornüber gebeugt." In dieser Haltung habe er ihr angekündigt: "Wenn Du mich weiter unter Druck setzt, wird es grausam schief gehen." Er hat es wahr gemacht.