Überfallopfer Ermyas M. "Die Leute hassen mich, weil ich farbig bin"

Zu Ostern wurde Ermyas M. in Potsdam brutal zusammengeschlagen. Nun spricht er im stern-Interview erstmals über seine Genesung. Und in einem offenen Brief bedankt sich seine Frau für die Unterstützung.

Fünf Monate nachdem Ermyas M. in Potsdam brutal zusammengeschlagen wurde, hat er dem stern ein Interview gegeben. Erstmals spricht der 38-jährige Familienvater erstmals über seine Zeit im Koma, seine Genesung und den Schreck, plötzlich eine Symbolfigur geworden zu sein: "Manche sehen in mir jetzt eine Art Aushängeschild: Der lebende Beweis für Fremdenfeindlichkeit. Aber diese Rolle möchte ich nicht annehmen", sagt er in der neuen Ausgabe.

Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft hat der in Potsdam lebende Deutsch-Äthiopier keine Zweifel an den rassistischen Motiven der Täter, die ihn in der Nacht zum Ostersonntag dieses Jahres brutal niedergeschlagen haben. "Diese Leute hassen mich, weil ich farbig bin", sagte er.

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Über die Täter sagte Ermyas M. "von diesen Leuten" gebe es so viele, "warum soll ich gerade auf die sauer sein, die mich getroffen haben. Eher tun sie mir leid." Er kritisiere eher, dass immer gesagt werde, Gäste könnten ohne Angst nach Brandenburg kommen und sicher leben. "Aber wie ist der Zustand wirklich in Brandenburg? Und wie effektiv sind die Maßnahmen?"

Zu den Geschehnissen der Tatnacht wollte Ermyas M. sich vor dem Prozess nicht äußern. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die beiden mutmaßlichen Täter am 22. August Anklage erhoben. Bei dem wohl demnächst in Potsdam beginnenden Prozess wird den zwei Männern gefährliche Körperverletzung, Beleidigung und unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen. Für rassistische Motive sieht die Staatsanwaltschaft Potsdam allerdings keine Anhaltspunkte. Die Verteidiger der angeklagten Männer rechnen mit Freispruch oder Geldstrafen.

Nach dem Prozess will Ermyas M. seine Doktorarbeit zu Ende bringen und die ihm zugedachten Spenden für einen Verein verwenden, der sich neben Entwicklungshilfe für Äthiopien auch mit Kulturaustausch beschäftigt. Mit seinen Söhnen spielt Ermyas M. schon wieder Fußball: "Dafür dass ich fast tot war, geht es mir gut", sagt er. "Nur Kopfball geht noch nicht so."

Lesen Sie auf der nächsten Seite den Dankesbrief von Ermyas' Ehefrau Steffi

Offener Brief von Steffi M.

Liebe Mitmenschen, seit der brutalen Tat an meinem Mann in der Osternacht ist unser Leben total umgeworfen. Wut, Ärger, Angst und Stress bestimmen meinen "Alltag". Dennoch ist mir bewusst, wie viel Glück wir hatten, dass diese abscheuliche Tat nicht mit dem Tod endete, sondern dass mein Mann lebt und so gut genesen ist. Ich danke den Menschen, die Hilfe gerufen haben und denen, die sie gaben.

Ich danke aus tiefstem Herzen dem Klinikum Ernst von Bergmann - insbesondere der Intensivstation E 1. Ihr habt die richtigen Entscheidungen getroffen. Ihr habt sein Leben gerettet. Ihr habt euch um ihn und auch um mich rührend gekümmert. Auch allen weiteren Ärzten und Therapeuten gilt mein Dank - im UKB in Marzahn und in der Median Klinik Grünheide. Danke auch allen Bürgerinnen und Bürgern für die große Anteilnahme, Eure Karten, Briefe, Blumen, Aktionen und Gesten gaben mir in dieser schweren Zeit viel Kraft und auch heute noch viel Rückenstärkung. Ich danke jedem einzelnen Spender, ob Firma, Verein oder Privatperson. Wir gehen sorgsam damit um.

Liebe Kinder, danke für Eure wunderschönen Bilder. Ich danke den mutigen und ehrlichen Zeugen, die uns helfen, die Wahrheit zu finden. Ich danke meiner Familie und unseren Freunden für die gewidmete Zeit und den Halt, Trost und die Kraft. Liebe Alex, danke, dass du so für mich da warst und bist. Ihr alle habt mir geholfen, diese unfassbare Tat und diese unwirkliche Zeit durchzustehen. Bitte bleibt wachsam, passt aufeinander auf, lebt für Gerechtigkeit und lasst so etwas niemandem geschehen! Setzt euch ein gegen diese Verdummung! Werdet aktiv gegen Intoleranz! Lebt für eine offene Weltanschauung! Meine Dankbarkeit gilt auch meinem Mann, dass er kämpft und dass er lebt. Aus tiefstem Herzen Steffi M.

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