Nach neuen Vorwürfen gegen den Leichenpräparator Gunther von Hagens prüft die Heidelberger Staatsanwaltschaft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Das Magazin "Der Spiegel" hatte berichtet, Hagens kaufe entgegen eigenen Aussagen Leichen zur Präparation auf und habe in seiner Plastinationsfabrik in China offenbar auch die Überreste von Hinrichtungsopfern verarbeitet.
"Wir werden prüfen, ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist", sagte die Heidelberger Oberstaatsanwältin Elke O’Donoghue am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. Die Sprecherin des Instituts für Plastination, das der Leichenpräparator in Heidelberg betreibt, wollte sich zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern. Sie kündigte jedoch für voraussichtlich Donnerstag eine Pressekonferenz in Frankfurt an, wo Hagens’ Leichenschau "Körperwelten" derzeit gezeigt wird. "Die Vorwürfe sind doch sehr schwer wiegend und vielfältig, daher brauchen wir für eine fundierte Stellungnahme entsprechend Zeit."
Die Staatsanwaltschaft Heidelberg beantragte unterdessen in einem separaten Verfahren einen Strafebefehl über 120 Tagessätze gegen Hagens wegen missbräuchlicher Verwendung eines Professorentitels. Hagens habe zwischen Februar 2002 und August 2003 in fünf Fällen Schriftstücke als Professor Gunther von Hagens unterzeichnet, obwohl er dazu ohne Verweis auf die Herkunft des Titels nicht berechtigt gewesen sei, erklärte die Behörde.
Chinesische Hinrichtungsopfer verwendet?
"Der Spiegel" hatte berichtet, Hagens’ kaufe unter Missachtung internationaler Vereinbarungen vor allem in China in großem Stil Leichen auf. Er bekomme Tote von schlecht bezahlten Krankenhaus-Pathologen und korrupten Polizisten und habe bis Ende 2002 auch Hinrichtungsopfer zur Plastination verwendet. Diese Opfer seien durch ein Einschussloch im Kopf und eine zur Organentnahme geöffnete Bauchdecke klar zu erkennen gewesen. Nicht mehr verwertbare Überreste der Leichen würden als Sezierabfall mit Altchemikalien vermischt entsorgt oder in einem Krematorium verbrannt. Im November 2003 hätten in der Leichenfabrik im chinesischen Dalian 647 komplette Leichname gelagert, berichtete das Magazin.
Hagens selbst schreibt im Ausstellungskatalog, er präpariere Menschen, "die ihren Leichnam testamentarisch der Wissenschaft vermacht" hätten. "Wir danken den Körperspendern, ohne die diese Ausstellung nicht möglich wäre", heißt es im Katalog.
Möglicherweise Klage wegen Störung der Totenruhe
Die Staatsanwaltschaft Heidelberg konnte am Montag noch nicht sagen, auf welchen Straftatbestand sie Hagens überprüfen wird. In juristischen Kreisen hieß es allerdings, es käme Störung der Totenruhe als Straftatbestand in Frage. "Wenn Leichen ohne Zustimmung der Betroffenen plastiniert und ausgestellt werden, wäre das rechtlich problematisch und könnte eine Störung der Totenruhe sein", hieß es. Strafbar könne dies auch sein, wenn die Leichen in China plastiniert und in Deutschland lediglich ausgestellt würden. Grundsätzlich gälten Leichen vor dem Gesetz als besondere Gegenstände, die nicht verkauft werden dürften. Störung der Totenruhe wird in Deutschland mit einer Geldstrafe oder einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren geahndet.
Die Ausstellung "Körperwelten" gastiert noch bis zum 18. April in Frankfurt, wo bereits im Vorfeld sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche gegen die Schau protestiert hatten. Die Kirchen werfen Hagens vor, mit der Zurschaustellung der Leichname die Menschenwürde zu verletzen. Hagens selbst argumentiert im Katalog, er wolle mit der Schau "jedermann ein tieferes, ergreifendes Verständnis der eigenen Leibhaftigkeit vermitteln". Der Präparator hatte 1997 in Mannheim erstmals die "Körperwelten" gezeigt und schon damals Proteste ausgelöst. Seither haben nach Angaben des Instituts für Plastination weltweit 13,5 Millionen Menschen die Schau gesehen.