Trotz ihrer geringeren Lebenserwartung altern Männern nicht schneller als Frauen, sondern langsamer. So setzt bei ihnen beispielsweise die Altersweitsichtigkeit später ein, und auch ihre Reaktionszeit bleibt durchschnittlich länger gut als die von Frauen. Das haben amerikanische Forscher bei einer Auswertung der Fachliteratur zum Thema Altern gezeigt. Die unterschiedliche Lebenserwartung der Geschlechter spiegele demnach nicht das biologische Alterungsmuster wider, sondern werde von anderen Faktoren wie der Risikobereitschaft bestimmt, schließen Brent Graves und seine Kollegen von der Northern Michigan University in Marquette aus diesen Ergebnissen. Sie stellen ihre These im "American Journal of Human Biology" vor (Bd. 18, S. 161).
Männer erreichen den Höhepunkt ihrer Fruchtbarkeit später
Männer sterben im Durchschnitt früher, weil sie schneller altern - diese Ansicht ist nach Angaben der Forscher so weit verbreitet, dass sie überhaupt nicht in Frage gestellt oder in Studien auf den Prüfstand gestellt wird. Dabei sei es vom Standpunkt der Evolution aus betrachtet überhaupt nicht sinnvoll, dass der Alterungsprozess bei Männern früher einsetzt als bei Frauen. So würde ein schnelles Altern etwa die Chancen auf eine erfolgreiche Fortpflanzung bei Männern sehr viel stärker vermindern als bei Frauen, da Männer den Höhepunkt ihrer Fruchtbarkeit deutlich später erreichen. Auch habe das Altern bei Frauen nach dem Einsetzen der Wechseljahre keinen Einfluss mehr auf die Fortpflanzung, während es bei Männern die Chancen auf Nachkommenschaft in diesem Alter immer noch erniedrigt. Konsequenterweise müssten daher eigentlich die Frauen schneller altern als die Männer, folgern Graves und seine Kollegen.
Als die Forscher nun in der Literatur nach Hinweisen auf ein unterschiedliches biologisches Alterungsmuster bei Männern und Frauen suchten, stießen sie tatsächlich auf Hinweise, die ihre These unterstützten: Bei Frauen treten beispielsweise die meisten altersbedingten Augenkrankheiten früher auf als bei Männern, ihre Reaktionsfähigkeit lässt deutlich früher nach und auch die allgemeine Gebrechlichkeit setzt in einem jüngeren Alter ein als bei Männern. Auch sei die körperliche Leistungsfähigkeit und der Gesundheitszustand alter Männern häufig besser als der gleichaltriger Frauen, schreiben die Wissenschaftler.
Altern nicht der Grund für die kürzere Lebenserwartung
Demnach sind die kürzere Lebenserwartung bei Männern und der Alterungsprozess wahrscheinlich zwei voneinander unabhängige Dinge und müssten für weitere Untersuchungen auch unabhängig voneinander betrachtet werden, schreiben die Forscher. Ihrer Ansicht nach prägt nicht das Altern die Todesrate bei Männern, sondern eher ihre Neigung zu risikoreicherem Verhalten. Auch die Auswirkungen des höheren Testosteronspiegels, der unter anderem das Immunsystem schwächt und den Organismus anfälliger für Infektionen macht, könnten verantwortlich sein. Ob es noch andere Faktoren gibt und welchen Anteil sie ausmachen, wollen die Forscher nun in weiteren Studien untersuchen.
DDP