Unter Kenias Königen der Savanne macht sich Kahlschlag breit. Forscher aus aller Welt raufen sich die Haare über die mähnenlosen Löwen. Im ältesten Nationalpark des ostafrikanischen Landes, dem Tsavo, sind die Männchen ohne typischen Kopfschmuck zwar eine Attraktion. »Was ist nur mit unseren Löwen los«, fragt sich jedoch auch Samuel Kasiki von der Kenianischen Wildschutzbehörde (KWS).
Haare schneiden unter Betäubung
»Heute nacht schläft der Löwe«, sagt Biologe Kasiki. In seiner Forschungsstation, rund 60 Kilometer südöstlich von der nächsten Ortschaft Voi bereiten er und seine Kollegen eine haarige Sache vor. »Wir entnehmen einem betäubten mähnenlosen Löwen Haarproben, um sie anschließend genetisch zu untersuchen«, erläutert er. Kasiki und andere Wissenschaftler brüten seit vier Jahren über dem Phänomen der Tsavo-Löwen. Unter den bis zu 300 Löwen des gesamten Schutzgebietes komme inzwischen die Mehrheit ohne den zotteligen Kopfschmuck daher.
Ist das Klima schuld?
»Ursprünglich dachte man, diese Löwen seien nahe Verwandte der Höhlenlöwen«, erklärt Kasiki. Doch er wie auch ein parallel arbeitendes Wissenschaftsteam aus den USA führen den mangelnden Haarwuchs eher auf klimatische Gründe zurück. Der küstennahe Tsavo- Park ist sehr heiß. Der mit knapp 22 000 Quadratkilometern größte Nationalpark Kenias ist mit seiner roten Erde bekannt für seine Weitläufigkeit und Trockenheit. »Die Männchen stehen dauernd unter Hitze- und Futterstress. Vermutlich wächst ihre Mähne daher erst gar nicht«, zitiert das Magazin »National Geographic Deutschland« in seiner Juni-Ausgabe die amerikanische Tsavolöwen-Forscherin Peyton West.
»In der Tat sind die meisten Löwen, die ihr Revier auf offenen Flächen haben, mähnenlos«, unterstreicht ihr kenianischer Kollege Kasiki. »Die Tiere hingegen, die sich hauptsächlich im schattigen Gebüsch bewegen, haben überwiegend Mähnen.« Kasikis Team folgt unter anderem der Fährte eines Männchens mit eingebautem Funksender, um Erkenntnisse über das Gruppenverhalten der mähnenlosen Macker zu bekommen.
Glatzenträger sind aggressiver
»Wir nehmen an, dass sie aggressiver als andere Löwen sind«, erklärt der Forscher. »Während in einem Löwenrudel in der tansanischen Serengeti bis zu drei Männchen miteinander auskommen, duldet ein mähnenloser Tsavolöwen-Mann keinen anderen neben sich.« Die KWS-Forscher interessierten sich daher auch für den Pegel des männlichen Geschlechtshormons Testosteron.
Die Weibchen sind alles andere als schwach
Die Tsavo-Löwen, gelten als die bislang unerforschtesten Löwen des Landes. Sie sind außerordentlichen groß und stark und gelten als besonders aggressiv. »Eine Löwin nimmt es hier etwa locker mit einem kräftigen Kaffernbüffel auf«, sagt Kasiki. Die Löwen seien zudem sehr angriffslustig.
Der Ruf ist schlecht
Aber auch als »Menschenfresser« machten sie sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Ruf, als Arbeiterkolonnen der Zuglinie von Mombasa nach Uganda ihren Weg durch das Dickicht des Dschungels bahnten. Mindestens 28 indische Bahnarbeiter, einen britischen Ingenieur und einen Polizisten sollen die Tsavolöwen auf dem Gewissen haben. »Ob sie damals noch Mähnen trugen, weiß niemand«, sagt Kasiki, »Doch ihren bösen Ruf als Menschenfresser«, meint der Wissenschaftler nach 15 Jahren Erfahrung, »den tragen sie heute mit Sicherheit zu Unrecht.«
Antje Passenheim, dpa