Gerade einmal vier Monate ist es im Dezember 1961 her, dass die DDR-Führung den Ostteil Berlins vom Westteil abgeschnitten hat. Am 13. August hatte der Bau der Berliner Mauer begonnen – die Stadt ist seither geteilt. Familien sind getrennt, Freundschaften auseinandergerissen. Der Mauerbau schockierte die Welt – und erst recht die Berlinerinnen und Berliner, deren Alltag er grundlegend veränderte. Weihnachten müssen viele nun auf Jahrzehnte ohne ihre Liebsten verbringen, während in der sowjetischen Besatzungszone ein mörderisches Regiment entlang der Grenze zum Westen herrscht.
Berlins Bürgermeister Willy Brandt ruft zu "Licht an der Mauer" auf
Doch abfinden will sich damit kaum einer: In der Vorweihnachtszeit 1961 wollen die Menschen im Westen der Stadt ein Zeichen der Mitmenschlichkeit setzen – und den Brüdern und Schwestern jenseits der Mauer ihre Verbundenheit zeigen.
Der Regierende Bürgermeister und spätere Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) ruft die Aktion "Licht an die Mauer" aus. "Gruß denen, von denen wir in so schmerzlicher Weise getrennt sind", sagt er bei einer Feierstunde am Humboldthain. "Und dieser Gruß wird nun allen sichtbar zum Ausdruck kommen dadurch, dass die Lichter leuchten werden. Hier an dieser Stelle und an vielen, vielen anderen Stellen in unserem geliebten Berlin."
Die Idee: Entlang der neuen Grenze mitten durch die Stadt sollen Weihnachtsbäume erstrahlen, ihren Schein über die Mauer werfen – und so das Signal senden: Wir vergessen euch nicht! "Eine fast endlose Kette glühender Kerzen beleuchtet die Sperren, Drähte und Mauern", berichtet der Sender Freies Berlin seinerzeit von der Aktion. "Lichter von allen, die guten Willens sind, Freiheit und Frieden zu erhalten. Lichter, die grüßend leuchten in Kälte und Nacht, trotz Niemandsland, Schranken und Trennung."
Und tatsächlich: Ab Mitte Dezember stehen mehr als 1000 Weihnachtsbäume entlang der Zonengrenze, viele von ihnen hell erleuchtet – Baum- und Geldspenden aus der ganzen Welt erreichen Berlin über das "Kuratorium Unteilbares Deutschland". Ein voller Erfolg, zumindest in der Propagandaschlacht des Kalten Krieges. Die Aktion wird auch in den kommenden Jahren fortgeführt.
Es wird 28 Jahre dauern, bis die Berlinerinnen und Berliner wieder gemeinsam und frei Weihnachten feiern können.
Gehen Sie mit dem stern auf Zeitreise und sehen Sie in der Galerie oben historische Fotos einer fast vergessenen deutsch-deutschen Weihnachtsgeschichte.