Klimawandel Nordeuropa drohen eisige Winter

Der Klimawandel hat bereits begonnen: Die Temperatur der Weltmeere ist gestiegen, Grönlands Eis schmilzt. Das viele Süßwasser bedroht den Nordatlantik-Strom, der unser Klima bestimmt.

Nur kurz nach In-Kraft-Treten des Kyoto- Protokolls haben Klimaexperten in Washington Alarm geschlagen. Eine neue Studie beweise, dass sich die Weltmeere genau so erwärmen, wie Computerberechnungen es vorausgesagt hatten, dass das Polar- und das Grönlandeis schmelzen, und dass auch dem Norden dramatische Klimaveränderungen drohen. "Jetzt ist Schluss mit der Debatte, ob wir eine globale Erwärmung haben. Jetzt geht es nur noch darum, was wir tun", sagt Tim Barnett vom Scripps Institut für Meeresforschung im kalifornischen La Jolla am Donnerstagabend.

Nordatlantik-Strom bedroht

Der US-Physiker wertete neun Millionen Messdaten der Nationalen Meeres- und Atmosphärenbehörde (NOAA) der USA aus und kam zum Ergebnis, dass sich die Meeresoberflächen von 1969 bis 1999 global um ein halbes Grad Celsius erwärmt haben. Gleichzeitig verändert sich der Salzgehalt der Meere durch das zunehmende Schmelzwasser, machten seine Kollegen klar. Mehr als 20.000 Kubikkilometer Süßwasser vom schmelzenden Polareis haben sich nach Kalkulation der Meeresforscherin Ruth Curry zwischen 1965 und 1995 in den Atlantik ergossen.

Hält dieser Trend an, bedroht er den Nordatlantik-Strom, jenes empfindliche System, das Meerwasser in den Tiefen aus dem hohen Norden wie ein Förderband in die südliche Hemisphäre schiebt und auf der Oberfläche wieder zurück zieht. Es bringt damit auch warme Luft nach Nordeuropa. Durch den verminderten Salzgehalt des Atlantikwassers drohe dieses System aus den Fugen geraten und das Klima vor allem rund um den Atlantik maßgeblich beeinflussen, warnt die Forscherin. Ein solches Szenario habe es vor gut 8000 Jahren schon einmal gegebenen - mit schwerwiegenden Folgen. Nordeuropa habe damals eisige Winter durchgemacht, sagt Curry, und dürfte bei einer Wiederholung neben dem nordamerikanischen Norden am meisten leiden.

Grönlands Eis beginnt schon jetzt zu schmelzen

Die Untersuchung stützt damit frühere Ergebnisse des Wissenschaftlers Stephan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Auch nach seinen Studien kann der Nordatlantik- Strom durch den menschengemachten Treibhauseffekt durchaus versiegen und dann "eine deutliche Abkühlung um den Nordatlantik herum, mit sehr kalten Wintern" bringen. "Wenn wir ungebremst mit dem Ausstoß von Treibhausgasen weitermachen, könnte dieser Prozess zum Ende dieses Jahrhunderts beginnen."

Eine besondere Rolle spiele Grönland, erläutert Curry. "Grönlands Eisdecke enthält genügend Wasser, um den Meerespegel global um sieben Meter anzuheben". Zwar habe Grönlands Eis erst kürzlich zu schmelzen begonnen. Aber auch dieser Anfang gebe schon Anlass zur Sorge, dass die Eisdecke an Stabilität einbüßen und mit der Zeit kollabieren könnte. Noch sei das System intakt, beruhigt die Forscherin. Es sei auch nicht gesagt, dass es zur Katastrophe kommen müsse. "Aber wir bewegen uns in die Richtung."

Ob das globale Muster der Meeresströmungen auch künftigem Schmelzwasser noch standhalten kann, hängt den Forschern zufolge ganz davon ab, wie schnell sich das Eis abbaut und wo genau das Schmelzwasser auf den Meeres-Zyklus trifft. Dass außer dem Klima auch die Ökosysteme auf dem Spiel stehen, streicht die Biologin Sharon Smith von der Universität von Miami heraus. Mit dem Verlust der Eisschollen würden Eisbären, Walrosse, Seelöwen und Seehunde ihrer Lebensgrundlage beraubt. Selbst Vögel hätten zu leiden, wenn sich die Farbe des Meeres durch das Schmelzwasser verändert und sie ihre Beute unter der Wasseroberfläche nicht mehr erkennen können.

Gisela Ostwald/DPA

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