Wenn das mal keinen Drehwurm gibt: Watvögel wie die Wassertreter mit dem lateinischen Namen Phalaropus zeigen ein sehr außergewöhnliches Fressverhalten. Sie schwimmen im Wasser schnell im Kreis und erzeugen so eine Art Wirbel, der Kleinkrebse und andere Wasserlebewesen Richtung Oberfläche spült. Die Vögel picken dann von der Wasseroberfläche kleine Tropfen auf.
Da Watvögel im Allgemeinen recht lange Schnäbel besitzen, können sie diese Tropfen und die darin enthaltenen Kleinstlebewesen nicht einfach aufsaugen, da spielt die Schwerkraft nicht mit: Das Wasser würde nicht im Schlund ankommen, sondern unten wieder herauslaufen. Um zu untersuchen, wie die Tiere trotzdem an Nahrung kommen, haben Forscher um Manu Prakash vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge künstliche Schnäbel gebaut und mit ihnen die Nahrungssuche der Vögel simuliert.
Vögel nutzen die Physik
Wie die Versuche mit den Schnabelnachbauten ergaben, machen sich die Vögel zwei physikalische Phänomene zu Nutze: die Oberflächenspannung von Wasser und die Reibungskräfte - in diesem Fall zwischen Schnabel und Wassertropfen. Immer wieder öffnen und schließen die Vögel ihren Schnabel. Die einzelnen Tropfen, werden dabei aufgrund der ihrer Oberflächenspannung Stück für Stück verschoben. Je schneller sie das machen, desto mehr Tropfen - samt den darin eingeschlossenen Kleinstlebewesen - können sie aufnehmen, berichten die Forscher in der Fachzeitschrift "Science".
Im Detail sieht das dann so aus: Der Tropfen wird nach dem Aufpicken zwischen Ober- und Unterseite des Schnabels quasi eingeklemmt. Öffnet sich nun der Schnabel, wird der Tropfen in die Länge gestreckt. So hat er weniger Kontakt zur Schnabeloberfläche. Da dieser Effekt in Richtung Schnabelspitze größer ist, rutscht der Tropfen Richtung immer weiter zum Hals - und zwar auch gegen die Schwerkraft.
Damit das System, das von den Forschern als "Kappilar-Ratsche" bezeichnet wird, auch funktioniert, muss der Schnabel mit Wasser benetzt werden können: Verunreinigungen, etwa durch Öl oder Lösungsmittel, verändern die Benetzbarkeit und führen schlimmstenfalls zu einem Versagen des Transportsystems - die Vögel verhungern. Sie seien deshalb in ihrem Lebensraum besonders von Ölunglücken oder anderen Chemieunfällen bedroht, sagen die Wissenschaftler.