"Verbot von Öl- und Gasheizungen, Aus für den Verbrenner – Ist das wirklich durchdacht?", betitelte Anne Will ihre Sendung. Die Vorstellung, dass sich die Redaktion auf diese Frage eine ernstzunehmenden Antwort erhofft hatte, ist mindestens irritierend. Fast so sehr wie die Gästeliste, bei der es sich recht offensichtlich um eine Art Stellvertreter für die sich eigentlich im Streit befindenden Protagonisten handelte.
Zu Gast bei "Anne Will" waren:
- Gitta Connemann (CDU), MdB und Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT)
- Henrike Roßbach, stellvertretende Leiterin Parlamentsbüro "Süddeutsche Zeitung"
- Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen), Parteivorsitzender
- Christian Dürr (FDP), Vorsitzender der Bundestagsfraktion
- Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen
"Wir sind am Anfang der Beratungen" versuchte Omid Nouripour die Stimmung gleich am Anfang etwas runterzukochen. Die Pläne vom grünen Wirtschaftsminister, die vorsehen, dass ab 01.01.2024 keine Öl- und Gasheizungen mehr neu in Betrieb genommen werden dürfen, müssen erstmal gründlich besprochen werden. Es sei richtig, früher als geplant mit dem Verbot um die Ecke zu kommen, auch weil Gas- und Ölheizungen eine Laufzeit von bis zu 40 Jahren haben könnte. Für die geplante Klimaneutralität Deutschlands bis 2045 sei ein späteres Verbot schlicht viel zu spät. Aber es müssen sich Wege finden "wie wir das bezahlbar machen". Wichtig sei es, so Nouripour, unbedingt festzuhalten, dass niemand allen Menschen das Heizen via Öl- oder Gasheizung verbieten möchte, für alle momentan im Betrieb befindlichen Geräte gibt es weiterhin die Möglichkeit sie zu nutzen und zu betreiben.
Schnell noch eine Gastherme einbauen lassen
Gitta Connemann berichtete, sie hätte in der vergangenen Woche in ihrem Wahlkreis Gespräche mit Handwerkern geführt, die alle darauf abzielten, dass die Menschen diese Form von Klimapolitik als gegen sich gerichtet erleben würden. Die Empfehlung der Handwerker sei aktuell, alle, die aktuell bauen oder sanieren, sollten sich in 2023 noch schnell eine Therme einbauen lassen, weil der Anschaffungspreis deutlich geringer als bei einer Wärmepumpe sei. Die Wärmepumpen seien aktuell keine klimafreundliche Alternative, weil sie zum einen viel Strom verbrauchen würden, der nicht CO2-neutral sei und zum anderen auch gar nicht innerhalb der Frist zu bekommen sei. Die Lieferzeiten seien zu lang, es gäbe zu wenige Handwerker, die die Pumpen einbauen können. "Klimaschutz geht nur mit den Menschen und nicht gegen sie", so Connemann und monierte, dass die aktuell angedachten Vorgaben die Menschen vollkommen außen vor lassen würden. Viele könnten diese Neuerungen nicht bezahlen.
Technologieoffen bleiben
Aus Kosten- und Beschaffungsgründen warb der FDP-Mann Christian Dürr darum "technologieoffen" zu bleiben. Dieses Wort wiederholte er im Laufe des Abends recht ausdauernd, warb aber vor allem um "H20-ready"-Varianten. "Wir müssen breiter denken", forderte Dürr und zitierte immer wieder auch Christian Lindner und seine "Montagehalle", die in die die Pläne zum Verbot noch mal zurückgeführt werden müsse. So ganz grundsätzlich sei die FDP ja schon dabei, bei den erneuerbaren Energien und auch bei dem Verbot der Gas- und Ölheizungen. Aber man müsse in schwierigen Situationen "auf Sicht fahren" und deswegen weder konkrete Daten noch nur Wärmepumpen ins Gespräch bringen.
Zumindest die konkrete Datumsgrenze kritisierte auch die Journalistin Henrike Roßbach. Man könne nicht "mit der Brechstange erzwingen" was vor 15 Jahre versäumt wurde. In Norwegen ging man seinerzeit einen ähnlichen Schritt, koppelte an das Verbot aber keine starre Deadline. Der Umschwung ging dort sehr viel reibungsloser von statten.
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Man muss die Menschen mitnehmen
Generell sei die "Fortschrittskoalition" in einer schwierigen Situation, sie wolle Dinge auf den Weg bringen und anders sein als die Große Koalition der letzten Jahre. Es kamen aber in den letzten anderthalb Jahren der Krieg gegen die Ukraine und Corona dazwischen, so dass jetzt mehr Druck hinter den Neuerungen stehen würde. Dass jetzt eine "Transformation" in einer Weise vorangetrieben wird, "wie wir das seit 15 Jahren nicht gesehen haben", könne man Robert Habeck nicht vorwerden, so Roßbach. Dem stimmte auch Stefan Weil zu, gab aber zu bedenken, dass "jetzt anderthalb Schritte zu schnell" vorgegangen werde. "Dass die Diskussion in Gang gekommen ist, finde ich ausdrücklich richtig", so Weil, man müsse aber die Menschen mitnehmen. Und Wärme gehöre zu den "allerkompliziertesten Themen" überhaupt, weswegen es hier besonders viele Diskussionspunkte geben würde.
Geringer Erkenntnisgewinn bei "Anne Will"
Die Positionen waren vorhersehbar, der Erkenntnisgewinn gering. Die Union fordert Förderprogramme, die Ampel weiß nicht recht, woher das Geld dafür kommen soll. Denn, da haben Journalistin Roßbach und FPD-Mann Dürr durchaus einen Punkt, es sei an der Zeit, dass die Regierung mal wieder mit dem ihr zustehenden Haushalt auskommt ohne neue Schulden zu machen. Ein "weiter so" wie in den letzten dreieinhalb Jahren kann keine Alternative sein. Und so wird aktuell auch um die Haushaltsfrage gestritten, auch wenn Grünen-Politiker Nouripour versicherte, das sei alles lösbar, so, wie diese Regierung ja auch alle anderen Streitigkeiten bisher gut gelöst hätte. Bloß die Leute nicht noch weiter verunsichern schien das Credo des Abends zu sein.
Weitere Themenpunkte:
- Energielabel der EU: Die Diskussion um ein mögliches Energielabel für Wohnhäuser auf EU-Ebene müsse laut Stefan Weil an "realistische Ziele in einem realistischen Zeitrahmen" geknüpft sein, gerade für "Menschen die nicht im Geld schwimmen“. Denn viele Leute könnten sich energetische Sanierungen in dem Umfang, wie sie gefordert werden, finanziell überhaupt nicht leisten. Und doch seien solche Vorgaben für eine klimaneutrale Zukunft nötig.
- Soziale Verantwortung oder Klimaschutz: CDU-Politikerin Connemann forderte, dass die Politik diese beiden Ziele zu keiner Zeit gegeneinander ausspielen dürfe. Der Talk bei Anne Will drehte sich allerdings eindeutig mehr in Richtung Klimaschutz.
- eFuels ja oder nein: Alle deutschen Autobauer bis auf Porsche sind sich einig: eFuels sind für sie kein interessanter Markt. Trotzdem wurde die Debatte, ob eFuels nicht eine attraktive Alternative zu E-Autos sein könnten, sehr leidenschaftlich geführt. Besonders Christian Dürr warb für den ländlichen Raum mit weniger E-Ladestationen für diese Autovariante und wünschte sich, dass die CDU bei EU-Präsidentin Ursula von der Leyen dafür werben würde. Gitta Connemann beschrieb ihre klare Linie mit dem an diesem Abend viel benutzten Begriff der "Technologieoffenheit".
Wer eine Stunde lang dem Talk von Anne Will bewohnte, hatte am Ende leider nur doch wieder das Gefühl, dass die Parteien sich selbst in den Vordergrund rücken wollten. Natürlich werden Grüne und FDP nicht müde auf der Vorgängerregierung rumzuhacken. Und die lehnt ihrerseits viele Neuerungen ab und verweist darauf, dass der Hinweis auf die vergangenen 16 Jahre langsam ermüdend sei. Die einen versichern, man sei auf dem richtigen Weg, die anderen sind davon nicht überzeugt. Wenigstens sind wir auf dem Weg, sagen die einen. Am Ende sollte aber jede Entscheidung eine sein, die dem Wohle der Umwelt und der Menschen dient, und nicht irgendwelche Politiker*innenegos in Talkshows streichelt.