Simulation San Francisco bebt nochmal

Am frühen Morgen des 18. Aprils 1906 wurden die Bewohner von San Francisco von einem schlimmen Erdbeben ereilt. 100 Jahre später spielen Forscher mit einer ausgefeilten 3-D-Computer-Simulation den Schrecken nach.

Mit gespreizten Beinen steht der Seismologe David Schwartz auf einem Parkplatz in der Stadt Hayward, genau über einem Riss im Asphalt, der sich quer durch die kalifornische Gemeinde zieht. "Vorsicht, diese Spalte kann sich jeden Moment bewegen", warnt der graubärtige Wissenschaftler mit einem Augenzwinkern. "Im Falle eines starken Erdbebens kann sich diese Verwerfung um zwei Meter verschieben", erläutert seine Kollegin Mary Lou Zoback. "Das wäre eine Katastrophe, denn der 70 Kilometer lange Graben läuft direkt durch Orte hindurch. Das würde Häuser, Straßen und Wasserleitungen auseinander reißen." Aus der Luft haben die Wissenschaftler nachgezählt: 461 Gebäude liegen direkt auf dem gefährlichen Graben.

Etwa alle 150 Jahre entlädt sich der geologische "Stress"

Die "Hayward-Fault" ist eine von fünf Verwerfungszonen im Großraum um San Francisco. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 62 Prozent wird vor 2032 einer dieser Gräben ein schweres Erdbeben auslösen, prophezeien die Geologen von der Bundesbehörde US-Geological Survey (USGS) in Menlo Park.

Rechtzeitig zum 100. Gedenktag des Bebens auf der San-Andreas- Verwerfung von 1906 haben die Wissenschaftler auf der benachbarten Hayward-Falte eine etwa zehn Meter tiefe und ebenso breite Grube ausgehoben, um Besuchern zu zeigen, "wie eine aktive Falte aussieht". Eine dunkle und eine hellere Erdschicht sind leicht zu erkennen, mehr nicht. Hier stoßen zwei geologische Platten aufeinander, die eine bewegt sich tief unter der Erdoberfläche langsam nach Norden, die anderen nach Süden. Etwa alle 150 Jahre entlade die Hayward-Falte den angestauten "Stress" durch ein starkes Beben, erklärt Zoback. "Wir wissen nicht wann, aber wir wissen, dass es kommen wird".

Die Wellen gehen durch Silicon Valley

Mit welcher Heftigkeit das Beben am frühen Morgen des 18. Aprils 1906 die Bewohner von San Francisco aus den Betten warf, konnten die Seismologen jetzt erstmals mit einer ausgefeilten 3-D-Computer- Simulation nachspielen. Extrem schnell rasen die Erdbebenwellen vom Epizentrum vor der Küste auf die Stadt zu. Nach vier Sekunden ist San Francisco getroffen, nach 30 Sekunden wackelt die gesamte Bay Area, nach 90 Sekunden erreicht der Erdstoß das 300 Kilomter entfernte Mendocino am nördlichen Ende der Verwerfung.

Zwei Jahre haben vier Forschergruppen mit Supercomputern das Modell erstellt. Dabei griffen sie auf die alten Daten, Karten und Vermessungen ihrer Vorgänger zurück, die nach 1906 den damals wenig erforschten San-Andreas-Graben unter die Lupe nahmen. Damit kann nun das Schreckens-Szenario für das erwartete "Big One" in der Bay Area simuliert werden, in der sechs Millionen Menschen leben. "Hier gehen die Wellen durch Silicon Valley und schütteln das ganze Tal fast eine Minute lang durch. Wir sehen deutlich, dass dieses Gebiet mehr als andere betroffen wäre", meint Zoback.

"Bei der Vorhersage von Erdbeben sind wir noch nicht viel weiter gekommen"

Diese Erkenntnisse könnten die Kommunen benutzen, um Gebäude besser abzusichern und neue Notfallpläne aufzustellen. Es sei aber "sehr frustrierend", dass solche Vorschläge nur selten Anwendung finden, klagt die Wissenschaftlerin. In San Francisco, das für seine schönen Altbauten bekannt ist, gibt es zum Beispiel keine Auflagen oder finanziellen Anreize, ältere Häuser besser abzusichern.

"Bei der Vorhersage von Erdbeben sind wir noch nicht viel weiter gekommen", räumt Zoback ein. In der mit unzähligen Sensoren und Messgeräten vernetzten Ortschaft Parkfield auf halber Strecke zwischen Los Angeles und San Francisco, wo es regelmäßig bebt, konnten bis jetzt keine Warnsignale vor größeren Erdstößen ausgemacht werden. In einem anderen Experiment bohren sich die Forscher auf den Grund des San-Andreas-Grabens vor. In dreieinhalb Kilometer Tiefe werden Proben geholt und Messgeräte versenkt, die Daten aus den unterirdischen Gefahrenzonen nach oben senden sollen.

Campusgebäude sind extra gesichert

Zoback ist für das nächste Beben recht gut gerüstet. Die meisten Gebäude auf dem USGS-Campus in Menlo Park sind mit Stahlverstrebungen gesichert worden. In ihrem Hause, keine drei Kilometer von dem San- Andreas-Graben entfernt, steht ein Paket mit Wasser und Notproviant bereit, so wie es die Behörden empfehlen. Sie hat auch eine Erdbeben- Versicherung abgeschlossen, "obwohl die Prämien deutlich gestiegen und die Leistungen gesunken sind".

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Barbara Munker/DPA

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