Am 20. August erwachte Peter Lewis wegen eines merkwürdigen Geräusches, das vom Rumpf seines Segelboots kam: Ein maximal zwei Monate altes Walbaby nuckelte - auf der Suche nach Muttermilch - an seinem Schiff im Yachthafen der Pittwater-Bucht. "Es war ein sehr trauriger Anblick", sagte Lewis später einem privaten Radiosender. Der 5,5 Meter lange Buckelwal habe eine Stunde lang an seinem Boot gesaugt. Dann "hörte es sich so an, als habe er geseufzt und hätte verstanden, dass es nicht funktioniert", so der Segler.
Das einsame Buckelwal-Baby wurde am 17. August das erste Mal vor der australischen Küste gesichtet. Seitdem überlegen Experten, ob sie das Tier retten können. Die Zeit drängt, denn dem Wal geht es von Tag zu Tag schlechter. Tierärzte nahmen dem Meeressäuger bereits etwas Blut ab. Sie mussten beurteilen, ob der Wal schon so massiv geschwächt ist, dass besser wäre, ihn einzuschläfern. Die Veterinäre gaben jetzt Entwarnung - doch trotzdem sieht es nicht gut aus für "Colin", wie die Australier den Wal getauft haben. Wenn er noch lange in der Bucht bleibt, das ist klar, wird er verhungern.
Sogar das australische Militär hat seine Hilfe angeboten: Man könnte Colin mit einem improvisierten aufblasbaren Boot aus der Bucht herausziehen und in Richtung Ozean bringen. Dort, so die Hoffnung, kann der Kleine auf Walschulen treffen - und vielleicht auf ein Weibchen, das ihn adoptiert. Buckelwale werden rund elf Monate gesäugt, Colin bräuchte also noch mindestens ein Dreivierteljahr Unterstützung. "Was auch immer die Ursache dafür war, dass seine Mutter ihn verlassen hat - sie könnte dazu führen, dass andere Walschulen ihn ebenfalls ablehnen" gab John Dengate vom " National Parks and Wildlife Service" gegenüber dem Sydney Morning Herald zu bedenken.
Keine Aufzucht mit Ersatzmilch
Der Wal könnte also, selbst wenn man ihn wieder in die offene See transportiert, bald verhungern. Ihn mit Ersatzmilch großzuziehen gilt als unmöglich. Bisher gelang es nur einmal in Sea World in San Diego, ein verlassenes Grauwalkalb aufzuziehen. Der Wal wurde 1998 wieder im Ozean freigelassen. Doch nach Angaben der australischen Zeitung liegen der Erfolgschancen für eine Aufzucht in Gefangenschaft nur bei zwei bis drei Prozent.
Denn der Wal müsste nicht nur monatelang gesäugt werden, später müsste man ihn auch noch in die Antarktis schaffen: von Sydney aus eine 2000 Kilometer lange Reise. Und "der Wal wüsste nicht, wie er Killerwalen ausweicht oder wie er überhaupt Krill findet", erklärt John Dengate. Wenn also kein Wunder geschieht und sich eine Walmutter findet, die den Kleinen säugt, sieht es düster aus für Colin.