Biosprit-Aus Ohne Strategie in die Ölknappheit

Ein Kommentar von Christoph M. Schwarzer
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hat die umstrittene Verordnung zur erhöhten Bemischung von Bioethanol gestoppt. Er wolle damit die Fahrer kleiner und alter Autos schützen, sagt er. Die Wahrheit ist: Die gesamte Regierung fährt ohne einheitliches Konzept in die Ölknappheit.

Der Verstand hat eingesetzt. Beinahe hätte Umweltminister Sigmar Gabriel die Autofahrer aufgeteilt: In die, welche als Besitzer von alten und billigen Wagen plötzlich auf Super Plus umsteigen müssten. Und in die, die an der Zapfsäule sowieso mehr zahlen müssten, weil der Biosprit E10 ebenfalls teurer wäre als die aktuellen Gemische. Es wären alle zur Kasse gebeten worden. Jetzt hat SPD-Hoffnung Gabriel die geplante Verordnung gekippt. Der Verstand hat eingesetzt? Nein, es war eher der Instinkt eines Mannes, der politisch zu überleben weiß.

Das eigentlich Spannende ist die Begründung, mit der Sigmar Gabriel heute früh den Stopp der Biokraftstoff-Verordnung bekannt gab. Neben seinem Beschützergefühl für die betroffenen Fahrer meist älterer Autos behauptete er, die Verdoppelung der Bioethanolquote sei nie eine umweltpolitische Maßnahme gewesen. Vielmehr sei sie eine Schutzmaßnahme für die deutsche Autoindustrie gewesen, die dafür einen Rabatt im Flottenverbrauch bekommen hätte.

Damit hat Gabriel klar gesagt, was noch immer die Politik der gesamten Bundesregierung ist: Statt sich der Realität von teurer werdendem Rohöl und schwindender Kaufkraft zu stellen, wird die Protektion der Autoindustrie betrieben mit dem immer gleichen Totschlagargument, den Arbeitsplätzen.

Industrieprotektion zu Lasten des Volkes

Da bastelt das Umweltministerium seit Jahren am Biokraftstoffquotengesetz, obwohl die Frage der Herkunft des Sprits und der Konkurrenz von Spritpflanze und Nahrungsmitteln nicht geklärt ist. Zugleich plant das CSU-geführte Wirtschaftsministerium ein Energielabel für Neufahrzeuge, ähnlich wie es bei Kühlschränken der Fall ist. Anders als bei unseren europäischen Nachbarn soll bei uns aber nicht der Spritverbrauch und der damit verbundene CO2-Ausstoß maßgeblich für die Klassifizierung sein. Bei uns wird ein völlig intransparenter Gewichtsfaktor mit eingebaut. Vereinfacht gesagt: Fette Autos dürfen mehr verbrauchen.

Und auch aus dem Finanzministerium ist nichts Gutes zu erwarten. Die geplante CO2-Steuer kommt und kommt nicht, obwohl sie ein Supermittel wäre, den Verkauf der Neuwagenflotte, die dann über 15 Jahre gefahren wird, in Richtung sparsam zu drängen. Nein, hinter den Kulissen geht es wieder nur darum, ob die Kohle aus dieser reformierten Kfz-Steuer in ausreichender Höhe an die Länder fließt, selbst wenn das eine Mehrbelastung für 20 Millionen Fahrer bedeutet. Und nicht zuletzt gibt es weiter die unverständlichen Steuergeschenke beim Kauf sehr teurer und im Regelfall spritfressender Dienstwagen. Was soll das, liebe Bundesregierung?

Zurück zu Herrn Gabriel: Glauben wir ihm doch ausnahmsweise mal, dass er sich gegen die Autohersteller auf die Seite des kleinen Mannes geschlagen hat. Dann fehlt immer noch der große Wurf, eine konsequente, nachhaltige und einheitliche Politik, die den bundesdeutschen Fuhrpark ölkrisenfest, klimaschonend und erschwinglich macht. Das könnte Arbeitsplätze kosten? Wenn es wirklich hart auf hart an der Ressourcenfront kommt, kostet das noch mehr Arbeitsplätze: Bei den deutschen Herstellern, die zu wenig Druck von der Politik bekommen haben, um ihr Verhalten zu ändern und sich auf den Bau sparsamer Autos zu konzentrieren.

Und das Volk schlägt sich mit den abgelegten Dienst-, Miet- und Leasingwagen rum, die immer noch viel zu selten wegen ihres niedrigen Verbrauchs ausgewählt werden.