Schönheitsoperationen Wann darf ein Kind unters Messer?

Jedes fünfte Kind in Deutschland zwischen 9 und 14 Jahren wünscht sich eine kosmetische Korrektur. Bisher genügte die Erlaubnis der Eltern, SPD und Union wollen das per Gesetz ändern. Ein Vertreter des Kinderschutzbundes befürwortet dies, eine Sexualtherapeutin hält den Plan für sinnlos - ein Pro und Kontra.

Friedhelm Güthoff vom Kinderschutzbund ist ausdrücklich für ein Gesetz, das Schönheitsoperationen bei Minderjährigen verbietet. Er hält kosmetische Eingriffe bei Kindern für Körperverletzung. Die Ärztin und Sexualtherapeutin Ursel Bucher spricht sich indes gegen eine gesetzliche Regelung aus. Ihr Argument: Ein Verbot per Gesetz sei sinnlos, weil praktisch nicht umsetzbar. Die Grenzziehung zwischen Schönheit und Seelenpein sei kaum möglich.

Pro

Schönheitsoperationen bei Kindern sind Körperverletzung, deshalb gehören sie verboten. Denn die Risiken für Kinder sind noch größer als jene für Erwachsene. Keiner kann beispielsweise abschätzen, was eine Brustoperation langfristig bei einem Mädchen anrichtet, dessen Körper ja noch wächst. Natürlich muss es Ausnahmen geben, aber nur, wenn zuvor ein Gutachter entschieden hat, dass diese Operation sinnvoll und unumgänglich ist. Wenn ein Kind beispielsweise nach einem Unfall schwere Brandverletzungen im Gesicht hat, muss es operiert werden. Wenn es eine krumme Nase hat, muss zunächst der Gutachter entscheiden. Ohne Gutachten darf es keine Schönheitsoperation bei Kindern geben. Das Gros der Jugendlichen will einfach nur besser aussehen. Laut dem LBS-Kinderbarometer wünschen sich schon zehn Prozent der 9- bis 14-jährigen Mädchen eine Brustoperation. Durch Superstarshows im Fernsehen wird enormer Druck aufgebaut. Freundinnen verstärken diesen Druck. Dann reicht schon ein kleiner Huckel auf der Nase, damit sich Kinder unters Messer legen wollen.

Ein Verbot würde die Rechte von Eltern beschneiden. Aber was ist wichtiger? Elternrecht oder die Unversehrtheit des Kindes? Manche Eltern sind zu schwach, um ihrem Kind Grenzen zu setzen, sie haben vielleicht sogar ähnliche Schönheitsideale. Wenn eine Gesellschaft aber keine verbindlichen sozialen Normen mehr hat, dann braucht es den Staat, der Partei für die Kinder ergreift und bei Schönheitsoperationen ohne medizinisches Gutachten ein Ermittlungsverfahren einleitet. Ein verantwortungsvoller Arzt wird Eltern davon überzeugen, dass ihr Kind keine Schönheitsoperation braucht, sondern jemanden, der ihm hilft, selbstbewusster zu werden. Ein Arzt, der aus Geldgier operiert, hat Strafe verdient.

Kontra

Ein solches Gesetz wäre sinnlos, weil es praktisch nicht anwendbar wäre. Es würde nur für eine Flut von Klagen sorgen. Was genau wäre denn strafbar? Die abstehenden Ohren eines Kindes zu korrigieren? Ein Muttermal auf der Nase zu entfernen? Eine Brust zu verkleinern? Es gibt tatsächlich junge Mädchen, bei denen eine Brustverkleinerung sinnvoll ist, weil ihr Busen eine Fehlhaltung der Wirbelsäule verursacht. Es gibt Muttermale, die das halbe Gesicht bedecken. Das sind Fälle, die zeigen, dass die Grenzziehung zwischen Schönheit und Seelenpein nicht leicht ist. Auch Leiden ist subjektiv. Der eine Jugendliche findet seine schiefe Nase in Ordnung, der andere furchtbar, besonders dann, wenn er von seinen Klassenkameraden gehänselt wird. Wenn sich ein Mädchen Fett absaugen lassen will, um einen schlanken Bauch zu haben, liegt das an einem verqueren Schönheitsbild unserer Gesellschaft. Staatliche Reglementierung kann so etwas nicht korrigieren.

Der Staat kann aber aufklären. Lehrer können solche Schönheitsbilder mit ihren Klassen diskutieren, dann wird deutlich, wie willkürlich die sind. Die einen Kulturen finden lange Ohren und breite Hüften schön, die anderen eine schmale Figur und kleine Brüste. Der Staat darf sich nur einmischen, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt. Die gibt es aber. Bei jeder Schönheitsoperation, die von der Kasse bezahlt werden soll, wird schon jetzt eine Meinung eines Gutachters eingeholt. Nur wenn der Eingriff aus medizinischen Gründen notwendig ist, zahlen die Kassen. Ein verantwortungsvoller Gutachter wird dem Kind erklären, welche Gefahr es mit einer Operation auf sich nimmt und ihm Auswege zeigen, beispielsweise einen Schulwechsel, wenn es gemobbt wird. Die Entscheidung über eine Schönheitsoperation kann die Justiz nicht lösen. Sie muss bei Eltern und Ärzten bleiben.