Hans-Martin Tillack CIA-Flugzeuge sind auch nur Menschen

Die Geschichte begann im Dezember, als die Debatte um geheime CIA-Flüge gerade auf ihrem Höhepunkt war. Ein Leser machte uns auf ein mysteriöses Flugzeug aufmerksam. Die Boeing 737 mit der Registriernummer N368CE sei ein regelmäßiger Gast auf dem Frankfurter Flughafen, schrieb ein Planespotter. Das Flugzeug trage keinen Namen einer Fluggesellschaft, sei aber im US-Militärteil des Frankfurter Flughafens gesichtet worden.

Also schaute ich auf der Website der amerikanischen Federal Aviation Authority nach, wer als Eigentümer der Maschine registriert ist. Das war die Wells Fargo Bank in Utah, USA. Per E-Mail fragte ich an, ob Wells Fargo für die CIA oder andere US-Stellen fliege. Die Antwort kam einen Tag später: Man sei nur Treuhänder für den wahren Besitzer. Dessen Identität müsse „vertraulich“ bleiben.

Auch beim US European Command in Stuttgart erkundigten wir uns. Dort versicherte man, mit der Boeing N368CE nichts zu tun zu haben. Wir erwähnten das in einem Stück im stern. Denn seit langem ist öffentlich bekannt, dass N368CE auch Besuche im US-Gefangenenlager Guantanamo machte. Nicht auszuschließen also, dass es sich um eine von der CIA genutzte Maschine handelte.

Im neuen Stern, der morgen am Kiosk liegt, haben wir wieder über die Maschine geschrieben. Denn inzwischen liegen uns Unterlagen aus der Frankfurter Flughafengesellschaft vor. Sie zeigen, dass Fraport Ankunft und Start des Jets N368CE regelmäßig als „Passagierflug der US Army“ per Fax angekündigt wurden – und zwar noch vor wenigen Tagen. Die Faxe kamen offenkundig nicht aus den offiziellen Büros der US-Armee, sondern von einem Mobilanschluss. Als Absender fungierte ein gewisser „Klaus-D. Böttcher“, der ebenfalls nur eine Handy-Nummer angab und behauptete, bei der „US Army“ zu arbeiten.

Als ich Böttcher fragte, tischte er eine neue Version auf: Er arbeite im US-Konsulat in Frankfurt. Also ein Anruf in der der Telefonzentrale des Konsulats: Dort war ein Klaus Böttcher nicht bekannt. Ich fragte auch die Pressestelle – erst beim Konsulat, dann bei der US-Botschaft in Berlin. Keine Antwort.

Bei Fraport-Mitarbeitern gilt die Maschine schlicht als „der CIA-Bomber“. Dazu passen die Flugziele der Boeing. Zum Beispiel landete sie am 15.Januar um 12.45, kommend aus Kabul. Dorthin war sie einen Tag zuvor geflogen, auch von Frankfurt aus. Davor, zwischen dem 9. und 14.Januar, pendelte sie mehrfach zwischen dem Rhein-Main-Flughafen und Bagdad.

Wem die N368CE angeblich überhaupt nichts sagt, ist die Bundesregierung. Beim Luftfahrtbundesamt (LBA) in Braunschweig hatte der – unbekannte - Betreiber zumindest bis Ende 2005 nie eine Einflugerlaubnis beantragt. Für gewerbliche Flüge aus Nicht-EU-Staaten ist das eigentlich zwingend vorgeschrieben ist, inklusive Angabe des „Zwecks“ des Fluges.

Glaubt man den Behörden in Berlin, sind solche geheimen Flüge trotzdem überhaupt kein Problem. Mit häufig wechselnden Argumenten versuchen die Regierenden uns klar zu machen, dass die US-Geheimdienstflieger kommen und gehen dürfen, wie es ihnen beliebt. Nicht-militärische „sonstige Staatsflüge oder zivile Flugzeuge fremder Nationen“ bräuchten überhaupt keine Einflugerlaubnisse, behauptete Außenamtsstaatssekretär Klaus Scharioth im Dezember. Wie ich kurz darauf auf stern.de schrieb war das falsch. Staatsflüge sind nach dem Chicagoer Abkommen sehr wohl genehmigungsbedürftig, ebenso wie gewerbliche Flüge privater, nicht-europäischer Eigentümer wie der Wells Fargo Bank.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Beim Flunkern erwischt, verlegte sich die Ministerialbürokratie auf eine neue Ausflucht. „Die in Rede stehenden Flüge wurden offenkundig als nicht gewerbliche Flüge angemeldet“, erklärte mir Ministeriumssprecher Dirk Inger schriftlich. „Damit waren sie auch nicht genehmigungspflichtig.“ Also darf jeder selbst entscheiden, ob er eine Genehmigung braucht oder nicht? Der von mir befragte Luftfahrtrechtler Ronald Schmid empfand das als „schlechten Witz“.

Inger schob darum eine neue Argumentationslinie nach: „Flüge mit zivil registrierten Flugzeugen zu staatlichen Zwecken“ seien „in der Regel nicht gewerblicher Natur; sie werden daher wie solche behandelt“. Und seien damit genehmigungsfrei – obwohl ja Staatsflüge, wie gesagt, laut Chicagoer Abkommen eigentlich genehmigungspflichtig sind. Zumindest, wenn sie Militär, Polizei und Zoll betreffen.

Auch US-Militärflüge im Zusammenhang mit Irak-Krieg oder Terrorbekämpfung sind keineswegs durch die Nato-Statuten gedeckt. Zu diesem Schluss kam jetzt zumindest der Wissenschaftliche Parlamentsdienst in einem noch unveröffentlichten Gutachten für den Bundestagsabgeordneten Norman Paech (Linkspartei). Sollten „außerhalb des Nato-Rahmens im Ausland stationierte Truppenteile mit Militärfahrzeugen lediglich den deutschen Luftraum benutzen“ oder hier „zwischenlanden“, um anschließend – ohne Nato-Auftrag – in Länder außerhalb der Nato weiterzufliegen, falle das unter die „Genehmigungsbedürftigkeit“, heißt es in dem Gutachten. Das Verteidigungsministerium bestreitet das. Soll wohl heißen: US-Militärmaschinen dürfen ein- und ausfliegen, wie es den Amerikanern beliebt – ganz egal, was der Nato-Vertrag erlaubt.

Obwohl die Bundesregierung in der Frühphase des CIA-Skandals volle Transparenz versprach, hält sie bis heute geheim, welche Flugplandaten von Maschinen wie der N368CE bei der Deutschen Flugsicherung (DFS) eingereicht wurden. Die Daten seien eingestuft.

Warum eigentlich? Als ich im Verkehrsministerium nachfragte, verwies der Sprecher auf die Luftsicherheit. Ein offenkundig absurdes Argument, sagte mir dagegen der Rechtsexperte Schmid. Niemand könne die Flugsicherheit gefährden, wenn er von Flügen erfährt, die seit langem abgeschlossen sind.

Also fragte ich erneut nach der rechtlichen Basis für die Geheimhaltung. Nun beriefen sich die Leute von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee auf „§ 27c Abs. 3“ des Luftverkehrsgesetzes.

Schlag nach im Gesetz: Der zitierte Absatz verlangt den vertraulichen Umgang - mit „personenbezogenen Daten“.

Nur: ein Flugzeug ist keine Person. Auch nicht die Boeing N368CE. Trotz ihres geheimnisvollen Charakters.