Brandenburg werde regiert wie eine kleine DDR, „aber mit Westgeld“. Das sagen Spötter gerne. Als gebürtiger Brandenburger finde ich das natürlich nicht nett.
Aber die Landesregierung gibt sich alle Mühe, diesem Spott Nahrung zu geben. Am Mittwoch zum Beispiel eröffnet Ministerpräsident Matthias Platzeck in der Landeshauptstadt Potsdam eine große Konferenz zum Thema Pressefreiheit. Was ja zunächst mal etwas Gutes ist. Wie der Zufall es will, bin auch ich dort Redner auf einem Podium. Über meine Qualifikation als Experte müssen andere urteilen. Sicher ist, dass Platzeck als Fachmann in Sachen Pressefreiheit - wie soll man es sagen? - etwas ungeübt wirkt.
Zum Beispiel, wenn es um die Meinungsfreiheit in Russland geht. Man will es ja kaum glauben, aber der Sozialdemokrat fand in der jüngeren Vergangenheit warme Worte für die dortige Menschenrechtssituation. In Russland herrsche immerhin „Sicherheit“. Die Journalistin Anna Politkowskaja und viele andere russische Reporter können das nicht mehr bestätigen. Weil sie tot sind - und ihre Mörder auf freiem Fuß.
Immerhin, anders als unter dem von Platzeck so geschätzten Moskauer Regime müssen unliebsame Journalisten in Brandenburg nicht um ihr Leben fürchten. Ist ja was. Trotzdem tun der Ministerpräsident und seine Minister einiges, um kritische Berichterstatter einzuschüchtern. Gerade solche, die über den merkwürdigen Umgang der Potsdamer Regierenden mit dem Westgeld berichten.
Erst dieser Tage musste sich der Ministerpräsident öffentlich entschuldigen, weil sein Regierungssprecher zu einem Hintergrundgespräch ausgerechnet zwei unliebsame Reporter nicht eingeladen hatte. Als sie trotzdem kamen, drohte der Sprecher den beiden Kollegen mit der Polizei. So gesehen versteht man auch in Brandenburg etwas von „Sicherheit“.
Zuständig für die Brandenburger Polizei ist Innenminister Rainer Speer. Der Parteifreund von Platzeck gilt als starker Mann im Land, macht aber in einem Skandal um dubiose Grundstücksgeschäfte des Landes (und von einigen persönlichen Freunden des Ministers) gerade eine ganz schwache Figur. Zur Aufklärung der Vorwürfe, die zuerst hier auf stern.de erschienen, hat er jedenfalls bisher wenig beigetragen. Muss er nach Ansicht seines Freundes Platzeck anscheinend auch nicht. Der sieht in den kritischen Berichten, wie er heute sagte, eine „Kampagne“.
Noch stärker im Erdenken phantasiereicher Verschwörungstheorien ist Speer selbst. Erst tat er so, als kämen die Vorwürfe gegen sein Gebaren mit Landeseigentum womöglich deshalb auf, weil er gerade versuche, die Polizei im Land zu reformieren: „Stellen Sie sich vor: Ich gehe davon aus, dass da vielleicht sogar ein Zusammenhang besteht“, sagte er dem Tagesspiegel.
Nachdem das nicht verfing, entwickelte er am Freitag auf Spiegel-Online einen anderen Zusammenhang. Einige der über ihn erschienen Enthüllungsartikeln "könnten" sich aus Unterlagen von seinem privaten Laptop "speisen", versicherte der Minister. Der sei ihm im Oktober letzten Jahres gestohlen worden. Jetzt habe er die „Vermutung“, dass das Material privaten Redaktionen angeboten worden sei. Und er glaube nicht daran, dass es ein Zufall sei, dass ausgerechnet jetzt die Anschuldigungen gegen ihn publik wurden.

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Nun, bis zu diesem Interview wusste ich nicht einmal, dass der Minister überhaupt jemals Besitzer eines Laptops war. Von selbigem stammen unsere Informationen garantiert nicht. Sondern aus Firmenabschlüssen, dem Handelsregister und auch sonst von Leuten, die die Unterlagen ganz zu Recht besaßen und sie darum nicht stehlen mussten. Anders herum wäre es schon merkwürdig, wenn auf dem Privatrechner des Ministers Unterlagen über Grundstücksgeschäfte des Landes, aber auch zwischen Privatfirmen zu finden gewesen wären – Geschäfte, mit denen Speer als Privatperson ja nach eigenen Angaben nichts zu tun hatte.
So weit, so wirr. Aber dass ein Minister – noch dazu ein Polizeiminister - überhaupt auf die Idee kommt, öffentlich gleich mehrere Journalisten mal eben in die Nähe von Kriminellen zu rücken, ist eigentlich ein Skandal an sich. Mit der Seriosität, die man sich von einem Innenminister erhoffen würde, hat es jedenfalls wenig zu tun. Etwaige Ermittlungen hat Speer mit seinem Interview ohnehin wohl eher behindert. Aber es ging ihm ja offensichtlich um etwas anderes – um das Diskreditieren von Journalisten.
Dass Politiker die Pressefreiheit nur in Sonntagsreden loben, das ist ein Phänomen, das auch außerhalb des Landes Brandenburg bekannt ist. Von Matthias Platzeck dürfen wir diese Woche nun eine regionale Variante erwarten: Eine Mittwochsvormittagsrede, in der die Pressefreiheit gepriesen wird. Am Nachmittag kann es in Potsdam dann wieder heißen: Auf die Journalisten, mit Gebrüll.