Razzien bei Journalisten? Manche Journalisten sind dafür. Vor drei Wochen ließ - von Innenminister Otto Schily autorisiert – die Polizei die Wohnung des Journalisten Bruno Schirra durchsuchen und filzte außerdem die Redaktion des Magazins "Cicero". Die Ermittler suchten ein Leck im Bundeskriminalamt, durch das Schirra ein internes Papier erhalten haben soll. Der Journalist nennt die Aktion eine "unerhörte Knebelung der Pressefreiheit". "Cicero"-Chefredakteur Wolfram Weimer sagt, es sei "eine offene Attacke auf Informanten- und Quellenschutz". Beide haben vollkommen recht.
Auf der Suche nach den Informanten klopften Schweizer Polizisten vor ein paar Tagen auch bei Schirras Chef an. Der heißt Johannes von Dohnanyi und ist Auslandschef des Schweizer Boulevardblatts "Sonntagsblick", bei dem auch Schirra angestellt ist. Von Dohnanyi sind keine Proteste überliefert. Das ist wenig verwunderlich, denn dieser Kollege hatte Razzien bei Journalisten noch im vergangenen Jahr ausdrücklich gutgeheißen.
Ja, Sie lesen recht. Wenn Behörden investigativen Journalisten das Leben schwer machen wollten, schrieb der Zürcher Autor, sei "auch das Mittel der Hausdurchsuchung" erlaubt, "sofern dem prüfenden Richter ein überzeugender Anfangsverdacht für eine strafbare Handlung vorgelegt werden kann".
Genauso war es freilich auch im Fall Schirra – nur dass sich der genehmigende Richter vielleicht das Leben ein bisschen zu einfach machte. Er muß sich wie in ähnlichen anderen Fällen nun zu Recht vorwerfen lassen, bei seiner Entscheidung die mögliche Einschüchterung von Informanten und den Eingriff in die Pressefreiheit zu wenig bedacht zu haben.
Dohnanyi findet es hingegen "heuchlerisch", wenn Journalisten um ihre Quellen fürchten, weil die Polizeibeamten kistenweise Redaktionsarchive davonschleppen und Festplatten kopieren: "Wer nicht die Möglichkeit ins Kalkül zieht, von den ‚Opfern‘ seiner Enthüllungen vor den Kadi gezerrt zu werden, wer, kurz gesagt, die Hitze in der Küche nicht aushält, sollte sich nicht für den investigativen Journalismus entscheiden". Basta.
Ich weiß nicht, ob Dohnanyi diese Ermahnung nun auch an seinen Kollegen Schirra geschickt hat. Und an Chefredakteur Wolfram Weimer beim "Cicero", für den der Sonntagsblickler, Spross einer großen Familie, auch schon mal schreibt.
Wahrscheinlich hält sich Dohnanyi mit solchen Ratschlägen heute weise zurück. Er hatte sie ursprünglich dem EU-Betrugsbekämpfungsamt Olaf in einem sechsseitigen Beitrag angedient – und zwar nachdem Olaf massiv in die Kritik geraten war, weil das Amt eine Razzia im Brüsseler Büro des "stern" angezettelt hatte.
Damals ließ sich Dohnanyi von dem EU-Amt gerne als Kronzeuge zitieren. Bis heute ist sein für Olaf verfasster Text auf der Website der Behörde nachzulesen und wurde von dem Brüsseler Amt sogar in einem Buch veröffentlicht. Der Kollege hoffte offensichtlich darauf, dass ihm Olaf die Unterstützung vergelten würde. Mit "Medienvertretern", die bei der Behörde "Vertrauen erworben" hätten, könne Olaf doch "einen regelmäßigen Informationsaustausch aufbauen", schmeichelte Dohnanyi.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
Geholfen hat ihm die Liebedienerei offenbar nicht. Irgendwelche Olaf-Scoops wurden beim "Sonntagsblick" erkennbar nicht geboren. Und das, obwohl der Zürcher Kollege schon vorher mit einem freundlichen Olaf-Porträt in der "Weltwoche" um Vertrauensbildung geworben hatte. Das war allerdings nicht frei von unfreiwilliger Komik. Da schrieb er von den "Männern in blauen Windjacken mit dem Schriftzug Olaf", die "ihre Gesichter vor den Kameras der Journalisten verbergen". Warum Ermittler, die angeblich inkognito arbeiten wollen, den Namen ihres Arbeitgebers auf dem Anorak tragen, fragte sich Dohnanyi nicht.
Jetzt weiß er: Auch Mangel an intellektueller Schärfe bewahrt nicht vor ungebetenem Besuch der Polizei.