Nur mein Kopf ragt aus dem Wasser, auf Augenhöhe mit der spiegelglatten Oberfläche des Schelde-Rhein-Kanals, fast auf den Zentimeter genau. In Zeitlupe zieht die Landschaft an mir vorbei. Schafe grasen am Ufer, ab und an ragen die Flügel einer Windmühle über die Deichkrone - alles wie im perfekten Holland-Klischee.
Dabei schwimme ich nicht etwa selbst im Wasser. Ich sitze im Trockenen und schwitze, auf der obersten Stufe der finnischen Sauna an Bord des Flussschiffes "Arosa Sena" und schaue durch das Fenster, an dessen Unterkante die Wassermassen vorbeischwappen.
Im Gegensatz zum deutschen Mittelrhein ist am Niederrhein noch alles im Fluss, in gefühlter Nordsee-Nähe nichts ausgetrocknet. Dabei sollte die Reise eigentlich in zwei Tagen von Antwerpen später rheinaufwärts nach Köln gehen. Aber aufgrund des Niedrigwassers musste die Reederei ihr neues Flaggschiff kurzfristig umrouten. Die Nacht hindurch geht es weiter nach Norden, bis zum nächsten Passagierwechsel nach Amsterdam statt in Köln.
Aber die Route ist nicht so wichtig, das Schiff ist das Ziel. Bei der "Arosa Sena", dem 13. Schiff der Flussschiffreederei Arosa mit dem Markenzeichen „Rose im Kussmund am Bug“ handelt es sich um einen brandneuen Prototyp, der der Konkurrenz vorausfährt.
Der Neubau beeindruckt nicht nur in den Ausmaßen mit fünf Decks, davon vier Passagierdecks, und durch die im Vergleich zu anderen Kreuzfahrtschiffen auf Flüssen um mehr als sechs Meter vergrößerte Breite, die mit 17,7 Metern erstmals fast ausschließlich Balkonkabinen ermöglicht. Von der Länge bleibt es bei den auf dem Einsatzgebiet Niederrhein gesetzlich vorgeschriebenen 135 Metern als Maximum.
"Das Schiff wurde genau für dieses Einsatzgebiet gebaut“, sagt Kapitän Ulli Schwalbe, „damit es in die Schleusen passt und unter den Brücken durchfahren kann.“ Er schwärmt von der weit fortgeschrittenen „Hybridisierung“ der "Arosa Sena", denn dank der Akkus kann sie bis zu 45 Minuten lautlos durchs Wasser gleiten oder emissionsfrei in den Häfen festmachen, bis der Landstrom zugeschaltet wird. Anschlüsse gibt es längst in Amsterdam, Rotterdam, Düsseldorf sowie am Anleger der KD-Flotte in Köln, nicht bei dem von der Stadt Köln. "Da sind die Holländer viel weiter als wir", so Schwalbe.
Innovationen unter Deck und in den Kabinen
Die drei auf Luftkissen gelagerten und mit Adblue abgasgereinigten Dieselmotoren – einer vorn, zwei achtern – versorgen über die Generatoren den Hotelbetrieb, die Klimaanlage und die Pod-Antriebe mit Energie. Was überschüssig produziert wird, fließt in die Batteriespeicher und kann jederzeit abgerufen werden. Für die Passagiere ist diese Innovation nicht sichtbar, eher in Kleinigkeiten, die zur Nachhaltigkeit beitragen, wie die Wasserspenden auf den Gängen, um Wasserflaschen aus Plastik von Bord zu verbannen.

Unter Deck befinden sich hinter brandgesicherten Türen auch die Anlagen zur Wärmerückgewinnung aus der Lüftung und Klärung der Abwässer. So muss nur alle drei Wochen der übrig gebliebene Klärschlamm durch Spezialunternehmen in den Häfen entsorgt werden.
Mit einer farblich ruhigen Innenraumgestaltung, die eher an ein Designhotel erinnert, Familienkabinen und erstmals einem Kids Club an Bord möchte die Reederei neue und jüngere Zielgruppen aufs Flussschiff locken. Das scheint in der Ferienzeit auch zu gelingen. In den beiden Pools auf dem Sonnendeck, wenn dieses nicht wegen der Brückenunterfahrungen gesperrt wird, tummeln sich die Kinder, backen später mit einer Betreuerin für den Abend ihre eigenen Pizzen.
Der ständige Wechsel von Natur und Industriekulisse
Im Steuerhaus meistert derweil Kapitän Schwalbe das Ausbalancieren zwischen Durchfahrtshöhe und Tiefgang in Bezug auf den aktuellen Wasserstand. Er beherrscht das Berechnen auf den Zentimeter genau. "Niedrigwasser gab es auf dem Rhein schön früher“, sagt er. "Aber jetzt tritt es viel häufiger und schon viel früher im Jahr auf."
Noch kann das Schiff nicht rheinaufwärts bis Köln fahren. Auf dem Weg dorthin passiert es nicht nur die Industriehäfen wie Antwerpen oder Rotterdam, sondern auch seinen Lieblingsabschnitt kurz vor der niederländisch-deutschen Grenze. Schwalbe meint die Naturlandschaft Millingerwaard bei Nijmegen. "Da kann ich vom Schiff aus Wildpferde sehen." Den Blick haben ebenso die Passagiere, egal ob an Deck, von der Balkonkabine aus oder in der Sauna schwitzend.
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