MONTMARTRE Der Glücksfall Amelie

Der Film »Die Fabelhafte Welt der Amelie« bescherte dem malerischen »großen Dorf« und altem Künstlerviertel auf dem Nordhügel über Paris ein unerwartetes Comeback.

Der Montmartre, das malerische »große Dorf« und alte Künstlerviertel auf dem Nordhügel über Paris, feiert ein Comeback. In den vergangenen Jahren mieden immer mehr Touristen die Gegend rund um Sacré-Coeur - der schlechte Ruf des Pariser Lustzentrums an der Place Pigalle als Touristen-Falle strahlte bis weit auf den Montmartre mit seinen steilen Treppen und der Aussicht auf das Häusermeer aus. Doch dann kam eine gute Fee und zauberte ein nostalgisches Montmartre-Bild hervor: Trotz der negativen Nachwehen des 11. September für Pariser Hotels und Restaurants besorgt der Film über die »Fabelhafte Welt der Amelie« dem Montmartre einen markanten Auftrieb. Nicht allen gefällt der Touristenrummel, zumal er auch die Preise hochschnellen lässt.

Montmartre jetzt Amelie-Kultstätte

»Montmartre, Paris, Frankreich«, in dieser Reihenfolge wollen japanische und amerikanische Besucher jetzt das Land erkunden. Als der Film von Jean-Pierre Jeunet mit Audrey Tautou im August auf der Square Willette unter den Kuppeln von Sacré-Coeur auf Riesenleinwand gezeigt wurde, kamen sage und schreibe 6000 Amelie-Fans. 25 Millionen haben den feenhaften Film, der international »Amelie from Montmartre« heißt, weltweit gesehen. Mit der Ruhe ist es auf dem etwa 100 Meter hohen Hügel im Pariser Norden, der 1860 eingemeindet wurde und sich noch immer eigentlich »unabhängig« fühlt, jedenfalls vorbei. Denn der Montmartre rund um den Tertre-Platz der Maler und Möchtegern-Künstler ist zu einer - städtisch geförderten - Amelie-Kultstätte geworden.

Auf den Spuren Audrey Tautous

»Der Film ist ein Traum, und Paris, das ist das wirkliche Leben«, das wissen die jungen Polen Przemek und Jagoda sehr wohl, die sich den poetischen Streifen nahe am Drehort auf Großleinwand zu Gemüte führten. Und alle Fans sind auf den Spuren Audrey Tautous, seitdem ein ausgetüftelter »Spaziergang« sie alles aus dem Film nacherleben lässt: Erst der Gemüseladen »Au Marché de la Butte«, dann vorbei an der zuckerweißen Basilika, die Montmartre überragt, hin zu der Place des Abbesses mit dem Jugendstil-Metro-Eingang von Hector Guimard. Und dann endlich zum urigen Café-Tabac »Les Deux Moulins«. Dabei erfahren sie auch, das dieser Amelie-Schauplatz verkauft wurde. Patron Claude Abbé setzt sich nun zur Ruhe. Amelie hatte seinen Umsatz verdoppelt.

Keine bessere Werbung

»Eine bessere Werbung hätte es gar nicht geben können«, jubelt die Chefin des Montmartre-Verkehrsvereins, Laure Morandina. Denn während in Paris insgesamt die Zahl der Touristen nach Jahren der Steigerung etwas rückläufig war, was sich vor allem auch im Louvre-Museum und auf dem Arc de Triomphe bemerkbar machte, ist »la Butte« im Aufwind.

Nicht allen gefällt der Rummel

Beileibe nicht alle sehen diesen Ansturm auf ihren Hügel mit Freude. Die etwa 30 000 »Montmartrois« sind bekannt dafür, in aller Ruhe und privilegiert die Aussicht auf die lärmige Weltstadt unter ihnen genießen zu wollen. Aufgeschreckt sind sie auch, weil coole Cafés die alteingesessenen Krämerläden vertreiben und allgemein die Mieten in die Höhe schnellen. Michel Langlois, Metzgermeister in der Amelie-Straße Rue Lepic, aber auch Präsident der Einzelhändler in dieser Ecke, wird das nicht einfach so hinnehmen: »Seit Jahrzehnten kämpfen wir dafür, die Atmosphäre zu erhalten, wie Jacques Prévert sie in seinen Gedichten beschrieben hat.« So hat selbst das Wirken einer Fee zwei Seiten. Auch Amelie kann es nicht allen recht machen.

Von Hanns-Jochen Kaffsack, dpa

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