In der hipsten Stadt der Welt halten auch DJs die Tea Time ein: Der Mix aus Tradition und Trends ist ihr Erfolgsrezept. Geo-Saison-Autorin Christina Niemann sprach mit Jenny Linford, der Autorin des Buches "The London Cookbook".
Was kann man von der Londoner Küche erwarten?
Jenny Linford: Nirgendwo kann man so vielfältig essen wir hier. Das hat natürlich mit der Geschichte zu tun, dem Empire und mit der Weltoffenheit.
In Deutschland sagt man: Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht.
Nein, hier sagt man eher: "O, ein nepalesisches Restaurant. Toll, mal sehen, was das Land kulinarisch zu bieten hat."
Wo schmeckt London wirklich nach London?
Gehen Sie auf Foodmärkte wie Borough Market in Southwark oder am Wochenende zu den Bauernmärkten mit regionalen Produkten. Briten gelten als Liebhaber pampiger Substanzen. Gibt es tatsächlich einen Mangel an Kochkultur? Ja, aber zurzeit erweist sich das als Vorteil. Es findet nämlich eine rasante Aufholjagd statt, es gibt viele tolle Restaurants und Fernsehshows mit Starköchen. Jamie Oliver ist ein Idol, auch für Jugendliche. Inzwischen sind wir stolz auf unsere Küche.
Teenager tauschen statt Songs die neuesten Rezepte aus?
Das ist wohl die Ausnahme, aber Grundwissen über gutes Essen ist für Jüngere und Ältere zu einer Art Lifestyle Statement geworden.
Ist selber kochen populär?
Leider nein. Die meisten sehen Promis gern dabei zu, reden darüber, aber denken: Wozu die Mühe? Es gibt Restaurants und Läden an jeder Ecke, die bis nachts geöffnet sind.
Gefunden in
Geo Saison, Heft 9/2011, für 5 Euro am Kiosk
London, Hauptstadt der Fertiggerichte?
Eher der Ungeduld und Eile. Es ist einfach praktisch, wenn eine Mahlzeit in fünf Minuten fertig ist.
Klingt, als wäre die Stadt ein guter Standort, um ein Restaurant zu eröffnen.
Ja, jeder, auch ohne Ausbildung, darf sich ausprobieren. Sie als Deutsche könnten sehr gut etwas anbieten, wie wär's mit einem Knödel-Shop? Die Erfolgschance ist sicherlich gut. Überall entstehen kleine Restaurants, Bäckereien, Käsereien.
Welches Gericht sollten Besucher unbedingt probieren?
Ok, es ist zwar etwas teuer, aber High Tea mit Scones, Konfitüre und Clotted Cream in einem Grandhotel ist fantastisch. Und in der Nähe der Kew Gardens gibt es eine bezaubernde Bilderbuchbäckerei (The Original Maids of Honour, Kew Rd. 288, Tel. 020-89 40 27 52).
Auf der nächsten Seite finden Sie köstliche Chefsachen und weitere Gastro-Tipps für die britische Hauptstadt, zusammengestellt von "Geo Saison".
Der Gemüsemann: Yotam Ottolenghi
Bevor der 42-jährige Israeli vor fast 15 Jahren nach London zog, um Koch zu werden, war er Journalist. Jetzt recherchiert er am liebsten in Garküchen und Imbissen in aller Welt, wobei sein besonderes Interesse Vegetarischem gilt (er isst Fleisch). Londoner Nobel-Gemüsefans sind verrückt nach den oft farbenprächtigen Kreationen. Mittlerweile hat er sein fünftes Bistro eröffnet. Nopi, Warwick St. 21-22, Tel. 020- 74 94 95 84, www.nopi-restaurant.com; Hauptgerichte ab 9 €. Weitere Ottolenghi-Filialen in Notting Hill, Islington, Belgravia, Kensington: www.ottolenghi.co.uk
Der Multi-Gangster: Nunu Mendes
Vorspeise, Suppe, Hauptspeise, Dessert genügen dem portugiesischen Exzentriker nicht. Seine Gäste bekommen sechs, neun, zwölf Gänge serviert - mit Aroma-Experimenten wie Olivensuppe mit Joghurt, Ingwer und Pistazien-Crumble. Gearbeitet hat der 38-Jährige unter anderem im "El Bulli", dem Kultrestaurant des Spaniers Ferran Adriá an der Costa Brava. In London hat er sich zunächst einen Namen als Underground-Koch gemacht und zahlende Gäste in seiner Wohnung bewirtet. Viajante (im "Town Hall Hotel", s. S. 57). Patriot Square, Tel. 020-78 71 04 61, www.viajante.co.uk
Die Biolehrerin: The Duke of Cambridge
Die Skepsis vor Industriefleisch ist bei den Insulanern vergleichsweise wenig ausgeprägt. Geetie Singh hat das bislang einzige Öko-Gastropub eröffnet, mit Produkten aus der Region, streng saisonal. Meilenweit reisen Feinschmecker an, um Waliser Ziegenkäse mit gebratenen Pilzen und Mandeln oder Kichererbsen-Koriander- Tarte mit Möhrensalsa zu probieren. "Zunächst war es schwierig, Lieferanten zu finden", sagt sie. "Doch inzwischen kann ich mich vor Anfragen kaum retten." St Peter's St. 30, Tel. 020-73 59 30 66, www.dukeorganic.co.uk
Geschichtsexkurs: The Gun
Lord Nelson und Lady Hamilton trafen sich im "River Room" zum heimlichen Rendezvous. Für Diebe und Schmuggler gab es einen geheimen Tunnel als Eingang. Heute kommen Businessleute und Stadtbummler und genießen im Schankraum oder auf der Terrasse mit Blick auf die Themse modern interpretierte Pub-Klassiker wie gegrillte Makrele mit Zwiebel-Confit, roter Bete und Apfel. Docklands, Coldharbour, Tel. 020-75 15 52 22, www.thegundocklands.com
Old School: the Punch Bowl
Winston Churchill hängt hier jeden Tag herum und blickt streng: Sein Porträt ist das Prunkstück im Kaminzimmer. Regisseur Guy Ritchie gefällt es hier so gut, dass er das Pub gemeinsam mit Freunden gekauft und restauriert hat. Serviert wird z. B. leckere Kürbissuppe mit Harissa, Krebsfleisch und Koriander- Crème-fraîche. Und nach zwei, drei Pint of Lager lächelt sogar der alte Churchill. Farm St. 41, Tel. 020-74 93 68 41, www.punchbowllondon.com
Casino Royal: Regency Café
Casino Royal: Regency Café Kinofans kommt das 1946 eröffnete "Caff" vielleicht bekannt vor: aus "Layer Cake", einem Krimi, in dem Daniel Craig mitspielte, bevor er James Bond wurde. Bestellung aufgeben, Platz suchen, Zeitung lesen und versuchen, den Akzent der Stammgäste zu verstehen: "Innit, luv!" Regency St. 17-19, Tel. 020-78 21 65 96
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