Tourismus auf Mallorca Bomben statt Ballermann

Es ist ein schwarzes Jahr für die Tourismusbranche auf Mallorca. Im Frühjahr ließ die Wirtschaftskrise die Buchungen zurückgehen. Seit einigen Wochen kehren Urlauber mit dem Schweinegrippevirus zurück. Nun erschüttert der Terror die Insel. Dabei sind die Gästezahlen ohnehin stark rückläufig - wie in ganz Spanien.

Es ist Hauptsaison auf Mallorca. Die Luft flimmert über dem Strand, die Bars an der Platja de Palma sind gut besucht. Auch wenn in diesem Jahr weniger Urlauber auf die Insel gekommen sind, wird rund um den Ballermann der Sangria noch aus Eimern getrunken, die Nächte durchtanzt und die Tage am Strand oder am Pool in der Sonne gedöst.

200.000 Touristen sind in diesen Tagen auf der Insel. Die Mehrheit sind Deutsche und Briten, die in diesem Jahr allerdings unterrepräsentiert sind, da Wirtschaftskrise und Wertverlust des Pfunds die britischen Urlauber deutlich härter getroffen haben. Einige Skandinavier gesellen sich dazu, und auch die spanische Königsfamilie hat sich für den Sommer angesagt.

Nach dem Terroranschlag vor einer Polizeikaserne mit zwei Toten, dürften die Hoffnungen der Hoteliers, Gastronomen und Einzelhändler schwinden, diese Saison noch zu einer erfolgreichen zu machen. "Auf kurze Sicht wird der Anschlag sich auf die Nachfrage auswirken", befürchtet Aurelio Vàzquez, Präsident eines Zusammenschlusses von Hotelketten. Der Tourismus ist der wichtigste Wirtschaftszweig der Insel. 4,1 Millionen Deutsche verbrachten 2008 ihre Ferien auf der Insel. Doch bereits im Frühjahr zeichnete sich ab, dass dieses Jahr kein gutes werden würde. 22 Prozent weniger Urlauber landeten im März auf der Insel. Die Zahlen besserten sich in den folgenden Monaten, mit Schnäppchenpreise lockten Hoteliers und Reiseveranstalter.

Zehn Prozent weniger Touristen

Aber das Defizit lässt sich nicht mehr ausbügeln. Im ersten Halbjahr kamen 23,6 Millionen ausländische Touristen nach Spanien - 11,4 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Für das gesamte Jahr 2009 erwartet die Regierung ein Minus von zehn Prozent. Dies wäre der schärfste Einbruch, den der spanische Tourismus jemals erlebt hat.

Die Meldung über die erste Schweinegrippe-Tote auf der Insel vor einer Woche, ließ die Tourismusbranche erneut zittern. In den vergangenen Tagen erhöhte sich die Zahl der mit Schweinegrippe infizierten Deutschen schnell. Viele von ihnen sind Urlaubsrückkehrer aus Spanien, vor allem von Mallorca.

Bei deutschen Reiseveranstaltern gibt man sich daher betont gelassen. Die Situation auf Mallorca sei ruhig, sagte eine Tui-Sprecherin. Es gebe keine Wünsche nach vorzeitiger Abreise. Beim Konkurrenten Rewe erwartet man keine langfristigen Auswirkungen. "Mallorca ist und bleibt ein Lieblingsziel der Deutschen", sagte eine Sprecherin. Selbst der Ausbruch der Schweinegrippe habe daran nichts geändert. Alvaro Middelmann, der Präsident des mallorquinischen Fremdenverkehrsamts Fomento del Turisme, ist zuversichtlich. Seine Erfahrung: "Die Urlauber reagieren viel pragmatischer, als die Berichterstattung in den Medien vermuten lässt", sagte er bereits am Abend nach dem Anschlag.

In Großbritannien, von wo die meisten Urlauber in Palmanova stammen, warnte das Außenministerium Reisende vor dem Terror in Spanien. "Dort besteht eine hohe Terror-Gefahr", betonte das Londoner Foreign Office auf seiner Internetseite. "Anschläge können willkürlich sein und sich an Plätzen ereignen, die von Ausländern und Touristen frequentiert werden."

Die Verantwortlichen auf Mallorca wiesen die Warnung zurück. "Das Attentat war ein absoluter Einzelfall", sagte der Vorsitzende des mallorquinischen Fremdenverkehrsverbandes, Alvaro Middelman, dem Audiodienst der dpa. "Deshalb würde ich sagen, die Insel ist genauso sicher wie sie es vorher war." Der Tourismusminister der Balearen, Miquel Nadal, betonte: "Der Anschlag war gegen die Polizei gerichtet und nicht gegen die Urlauber."

Mit DPA/AP

Sind Touristen das Ziel der Eta?

In den vergangenen Jahren hatte die baskische Eta immer wieder Anschläge in Touristenzielen oder auf Hotelanlagen verübt. Die Bombe von Donnerstag sollte jedoch keine Urlauber treffen, sie war gegen Polizeibeamte gerichtet. Werden Touristen verletzt oder getötet, würde die Eta das als Kollateralschaden allderings hinnehmen. Die ETA will nicht - wie etwa islamische Terroristen - möglichst viele Menschen töten, sondern nimmt immer wieder Vertreter der verhassten spanischen Zentralregierung, die Sicherheitskräfte und Politiker im Baskenland ins Visier.

Die Bombe explodierte in Palmanova, einem beliebten Ferienort, unweit von Golfplätzen, Hotels und in der Nähe des Strandes. Ein Anschlag an einem der beliebtesten Ferienorte Europas und die anschließend abschreckende Wirkung können verheerende Folgen für die Tourismusbranche haben. Aber: "Es gibt keinen Grund, in Panik oder Schrecken zu verfallen", sagt Rolf Tophoven vom Institut für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik. "Es wurden keine Touristen und kein Hotel angegriffen".Daher ist der Anschlag der Eta auch ein Signal, dass die Organisation den spanischen Staat beschädigen kann; denn der Tourismus ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige der Insel. Die jüngsten Anschläge sollten vielmehr zum 50. Jahrestag der ETA-Gründung die Handlungsfähigkeit der angeschlagenen Organisation demonstrieren. Tophoven hält die jüngsten Anschläge denn auch für ein "letztes Aufflackern", das beweisen solle, dass die ETA auf ein symbolisches Datum hin noch immer handlungsfähig sei.

Ist die Eta auf Mallorca aktiv?

Die baskische Untergrundorganisation hatte in der Vergangenheit mehrere Anschläge auf Mallorca verübt, dabei aber bislang keinen Menschen getötet. Im Jahr 1995 war die Organisation auf der Insel mit dem Vorhaben gescheitert, den spanischen König Juan Carlos mit einem Präzisionsgewehr zu erschießen. Der Anschlag auf die Polizisten ereignete sich nur etwa acht Kilometer vom Marivent-Palast entfernt, in dem die königliche Familie traditionell ihre Sommerferien verbringt. Juan Carlos und Königin Sofía werden am Samstag auf Mallorca erwartet.

Laut der Madrider Zeitung "El Mundo" soll die baskische Terror-Organisation Eta den Ferienort Palmanova schon seit längerer Zeit im Visier gehabt haben. Die Separatisten hatten bereits im vorigen Jahr umfangreiche Daten über zwei Polizeikasernen in Palmanova gesammelt. Die Unterlagen waren im Sommer 2008 bei der Zerschlagung eines Terror-Kommandos der ETA in der Gegend der baskischen Stadt Bilbao sichergestellt worden.

Starten und landen die Ferienflieger wieder?

Ja, der Flughafen Son Sant Joan war gestern für fast zwei Stunden vollständig gesperrt. Flüge mussten nicht gestrichen werden. Es kam jedoch zu erheblichen Verzögerungen, die sich immerhin im Laufe des Abends und der Nacht wieder normalisierten, da es auf Mallorca kein Nachtflugverbot gibt. Gerade für die Fluggesellschaft Air Berlin war die Sperrung problematisch, da sie ihr Drehkreuz auf der Baleareninsel hat. Mallorcas Flughafen hat in der Ferienzeit eins der höchsten Passagieraufkommen in Europa. Am Tag des Anschlages, nicht der reisestärkste Tag, waren 660 Starts und Landungen geplant, sollten mehr als 86.000 Passagiere ankommen oder abfliegen.

Kann der Urlaub kostenlos storniert werden?

Nein, ein einzelner Anschlag wird zumeist von deutschen Juristen wie ein Schneesturm als "höhere Gewalt" eingestuft, die der Reiseveranstalter nicht beeinflussen kann. Das Auswärtige Amt spricht denn auch keine Reisewarnung für Mallorca aus, damit gibt es für die Reiseveranstalter keine Verpflichtung, Umbuchungen oder Stornierungen kostenlos vorzunehmen. Allgemein gelte für Spanien: "Weitere Anschläge sind nicht auszuschließen. Das spanische Innenministerium hat daher verstärkte Sicherheitsmaßnahmen an belebten Plätzen und wichtigen Infrastruktureinrichtungen ergriffen."

Der Deutsche Reiseverband erwartet nicht, dass es zu einer Stornierungswelle kommt. "Dafür gibt es keine Anzeichen", so eine Sprecherin.

Hätte die Sperrung des Flughafens länger gedauert, hätten festsitzende Reisende nach Ansicht von Verbraucherschützern die Kosten für einen Ersatzflug und die Notunterbringung zurückerhalten. Darüber hinaus können sie aber keine Ansprüche geltend machen.

Sind Feriengäste auf der Insel beeinträchtigt?

Nur in geringem Ausmaß. Sie spanische Polizei hat die Sicherheitsvorkehrungen drastisch verschärft. Auf der Suche nach den Terroristen überprüfte die Polizei zahlreiche Fahrzeuge. Bislang ist nicht bekannt, dass Sehenswürdigkeiten oder Plätze abgeriegelt werden sollen.

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