Man war gewarnt worden. "Der Weg ins Paradies ist steinig", hatte es geheißen, und das war tatsächlich ernst gemeint. Teerstraßen gibt es schon lange nicht mehr, irgendwann ging es auch mit dem Schotter zu Ende, und nun poltert der Geländewagen eine gute Stunde lang scheinbar willkürlich die Hügel hinauf und hinunter, immer wieder den Pfaden folgend, die angesichts der hinterlassenen Wegzeichen rechts und links auch die Kühe nehmen. Fast drei Stunden Fahrt sind es von Mthatha, der nächsten größeren Stadt, doch die Mühe lohnt sich. Unten im Tal, wo sich Fluss und Meer in einer Lagune treffen, liegt Bulungula.
Von dieser einfachen Unterkunft für Rucksackreisende, die ihren Strom mittels Solarzellen gewinnt und deren Kompost-Toiletten psychedelisch bemalt sind, kann man stundenlang am Strand entlang wandern, kann hier reiten oder Kanu fahren. Man kann auch einfach gar nichts tun und sich vor den runden Hütten mit den spitzen Dächern in die Sonne legen. Doch kaum jemand nimmt den langen Weg auf sich, nur um das zu tun, womit man auch andernorts an der wahrlich wilden "Wild Coast" Südafrikas seine Zeit verbringen kann. Denn Bulungula ist eine besondere Unterkunft: 40 Prozent gehören den im Dorf Nqileni wohnenden Menschen vom Stamm der Xhosa. Es ist de facto die Lodge der Gemeinde, denn auch der Initiator, der das Geld für den Bau mitbrachte, wohnt inzwischen hier und ist Teil der Dorfgemeinschaft.
Wilde Küste
Der Name ist nicht zufällig gewählt: An der "Wild Coast" (zu Apartheid-Zeiten noch unter dem Namen Transkei bekannt) in der Provinz Eastern Cape wurden schon viele Schiffe Opfer scharfkantiger Felsen. Viele Orte an der Küste sind nur in aufwändiger Fahrt zu erreichen. Wer die Odyssee auf sich nimmt, wird mit einsamen Stränden belohnt.
Schnellste Anreise von Johannesburg ist per Flugzeug nach Umtata (Mthatha), wo man auch Autos mieten kann. Der Baz Bus (www.bazbus.com), ein Angebot für Rucksackreisende quer durch Südafrika, macht hier ebenfalls Station. Die Fahrt auf der gut ausgebauten Hauptstraße N2 ist relativ langweilig - spannend wird es erst auf den Stichstraßen zur Küste.
Wer auf Komfort verzichten kann und in die Kultur des Xhosa-Stamms eintauchen möchte, sollte sich in Richtung Bulungula Backpackers aufmachen (Telefon 0027-47-5778900 und 0027-83-3915525, www.bulungula.com). Hier gibt es Camping-Möglichkeiten und ein paar sehr einfache Unterkünfte (eigenes Zimmer mit Gemeinschaftsdusche für unter 20 Euro). Gäste werden auf Wunsch in der Stadt Umtata (Mthatha) mit dem Geländewagen abgeholt (drei Stunden Fahrt). Unter www.wildcoastholidays.co.za findet man viele gute Infos zu Hotels und mehrtägigen Wanderungen entlang der Küste.
Perspektive geben
"Die Xhosa in diesem abgelegenen Dorf haben neben der Landwirtschaft nur den Tourismus, um ihre Armut zu überwinden", sagt Dave Martin. Der 32-Jährige stammt aus Kapstadt und hat die Bulungula Lodge vor gut zweieinhalb Jahren mit seinen Ersparnissen aufgebaut. "Hier an der Wild Coast ist Südafrika noch so ursprünglich wie der große Rest des Kontinents - mit vielen Dorfgemeinschaften, die ihre Kultur noch leben." Die zu erhalten und den Menschen vor Ort eine Perspektive zu geben war sein Ziel.
Die Rinde vom Baum "Usungu" soll Wünsche wahr werden lassen
Das scheint erreicht: Der Kräuterkundler des Dorfes, der 53-jährige Meldinga, nimmt Besucher inzwischen gegen Bezahlung mit auf die Wiesen und in den Wald und zeigt ihnen, welches Kraut Kopfschmerzen verschwinden lässt, und welche Knollen Frauen helfen, schwanger zu werden. Die Rinde vom Baum "Usungu" soll sogar Wünsche wahr werden lassen können. Auch die Ausflüge mit dem Pferd, die Kanu-Touren und sogar ein kleines Restaurant in einer der runden Xhosa-Hütten werden von den Dorfbewohnern in Eigenregie betrieben. Wer hierher kommt, ist nicht in einer Kunstwelt für Touristen, erlebt keine Folklore. Man befindet sich im Herzen Afrikas.
Das brächte das ganze Gefüge durcheinander
Initiator Dave Martin lebt seit mehr als vier Jahren im Dorf, spricht die Sprache und ist in die Gemeinschaft integriert. Nur Geld verdient er an seinem Projekt nicht. "Früher war ich in der Computerbranche tätig. Bei meinem letzten Job in London habe ich stolze 750 Euro am Tag verdient", sinniert der 32-Jährige. "Hier im Dorf wäre es schon ein Problem, wenn ich 750 Euro in einem ganzen Monat bekäme - das brächte das ganze Gefüge durcheinander." Der umtriebige Initiator ist deswegen derzeit der einzige von 16 Mitarbeitern der Backpacker-Unterkunft, der ohne Gehalt arbeitet: sich realistisch bezahlen zu können sei eben leider unrealistisch. So hilft es, dass seine Frau eine angesehene Wirtschaftswissenschaftlerin ist und die Urlaubsreisen bezahlen kann, mit denen das Paar Abstand nimmt von Projekt und Dorf.
"Die Lage am Strand hätte auch zu einer Fünf-Sterne-Lodge gepasst"
"Wir sind im Moment dabei, eine Nichtregierungsorganisation zu gründen, um die Idee für die Zukunft abzusichern", erzählt Dave Martin. In einigen Jahren soll dann auch der Anspruch an die Unterkünfte steigen, wird sich die Backpacker-Lodge in ein kleines Hotel mit deutlich mehr Personal verwandeln und so für mehr Jobs im Dorf sorgen. "Die Lage am Strand hätte auch zu einer Fünf-Sterne-Lodge gepasst. Doch so zu starten wäre nicht möglich gewesen: Niemand in der Gemeinde hat eine Ausbildung, und so hätten wir Ortsfremde holen müssen, um die Arbeit zu machen. Wir sind mit einer Backpacker-Unterkunft gestartet. Wenn wir uns nun langsam im Niveau verbessern, dann lässt sich parallel auch die Qualifikation unserer Leute steigern."
Ein abgeschiedenes Fleckchen Erde abseits der Hektik der Moderne
Bis es soweit ist, werden aber wohl noch einige Jahre ins Land ziehen. Bulungula wird also in nächster Zeit jener Ort bleiben, wofür er in der Backpacker-Szene legendär geworden ist: Ein abgeschiedenes Fleckchen Erde abseits der Hektik der Moderne, ein Ort, in dem die Grenzen zwischen Besuchern und Einheimischen verwischen könnten. Am Lagerfeuer vor der Lodge sitzen nämlich nicht nur Weiße aus aller Welt, sondern auch die Jugendlichen des Dorfes. Es ist für manche Besucher nicht einfach, sich darauf einzulassen, Gast zu sein und nicht Tourist. Doch wer wirklich interessiert ist an der Kultur des Xhosa-Stammes, wer mit den Menschen ihre Feste feiern und ihre Traditionen kennen lernen will, hat hier eine einmalige Gelegenheit.