Herr Völler, Leverkusen hat in der ersten Saisonhälfte seinen alten Ruf gefestigt: Man spielt den schönsten Fußball, um am Ende doch noch abzustürzen. Wie bekommen Sie dieses Problem in den Griff?
Mit der Nummer können Sie mich nicht beeindrucken: Ich sehe das anders. Auch bei anderen Klubs findet man Spiele, nach denen man fragt: Wie konntet ihr das noch verlieren? Es gibt immer Erklärungen: Mit der großen Mannschaft von 2002 etwa spielten wir bis zum Schluss in drei Wettbewerben, und am Ende ist uns die Luft ausgegangen.
Haben Sie derzeit das stärkste Leverkusener Team seit damals?
Vielleicht. Auf jeden Fall sind wir in der Grundqualität ein bisschen besser geworden als in der Vorsaison. Wir haben Patrick Helmes dazubekommen, wir haben uns links mit Michal Kadlec verstärkt, auch Henrique ist richtig gut eingeschlagen. Und viele haben noch gar nicht bemerkt, was für eine Rakete wir mit Renato Augusto dazubekommen haben.
Warum sagen Sie dann nicht ganz offen: Wir wollen in die Champions League?
So ein Ziel zu formulieren ist schwer. Da ist jetzt Hoffenheim, die gab's gar nicht, und da ist Wolfsburg, die waren zwar da, aber die gab's eigentlich auch nicht. Wir haben zehn Vereine, die sich um fünf Europacup-Plätze bewerben. Einer ist vergeben, die Bayern sind ja immer dabei, dann bleiben neun Vereine für vier Positionen.
Ist diese Verdichtung an der Spitze gut für die Liga?
Kann schon sein. In den anderen großen Ligen kann es ja nicht mehr weiter nach oben gehen, und wir haben denen voraus, sehr seriös zu wirtschaften. Das macht mich optimistisch. Ich glaube, dass wir aufholen können.
DFL-Geschäftsführer Seifert nennt als Ziel, die Serie A in der Uefa-Fünfjahreswertung zu überholen. Ist das realistisch?
Das Problem ist die Champions League. Wir haben nur die Bayern, die da weit kommen können. Die anderen Top-Ligen haben drei oder vier Klubs.
Ist der Grund für diesen Vorsprung nur das Geld, oder wurde andernorts früher so modern gearbeitet wie jetzt in Hoffenheim?
Mal langsam: Ralf Rangnick und Jan Schindelmeiser machen dort hervorragende Arbeit. Aber der Hoffenheimer Erfolg wäre undenkbar ohne den Milliardär, der alles bezahlt. Neue Ideen und Konzepte sind nur ein Mosaikstein bei der TSG.
Die Hoffenheimer Mannschaft ist nicht viel teurer als etwa der Stuttgarter oder der Kölner Kader.
Da sind einige Spieler dabei, die zwischen 5 und 8 Mio. Euro gekostet haben, aber Sie haben recht: Das Gehaltsgefüge dort bewegt sich immer noch in einem manierlichen Bereich. Das geht aber nicht mehr lange so.
Sie kritisieren die Gehälter, die besonders in England explodiert sind. Jens Lehmann sagt nach seinen fünf Jahren bei Arsenal, unabhängig von der finanziellen Ausstattung werde dort effektiver und moderner gearbeitet.
Mein Lieblingsthema! Seit Jahren wird behauptet, in England spielen die One-Touch-Fußball, da werde der Ball eine halbe Sekunde früher abgespielt. Das ist der größte Schwachsinn aller Zeiten.
Das sind erhobene Daten.
Ja: ManU, Chelsea, Liverpool und Arsenal, die spielen einen schnellen Fußball. Aber mir kann keiner erzählen, dass Aston Villa, Portsmouth und Tottenham schneller abspielen als vergleichbare Teams in der Bundesliga. Wir haben hier vor einem Jahr gegen Blackburn im Uefa-Cup abgefiedelt. Die hätten acht Stück kriegen müssen. Tottenham gibt doppelt so viel Geld aus wie wir. Wenn mir einer erzählt, dass die schneller spielen, lache ich mich kaputt. Manchester City kauft Nigel de Jong für fast 20 Mio. Euro, obwohl der in fünf Monaten für 2 Mio. Euro zu haben wäre, das ist doch Wahnsinn. Was in England an Geld verbrannt wird, ist unfassbar. Ich glaube aber nicht, dass dort besser gearbeitet wird als hier.
Warum sind die deutschen Teams dann so erfolglos in der Champions League?
Weil die Zeiten, in denen fehlende individuelle Weltklasse mit Konzepten und mannschaftlichen Qualitäten kompensiert werden konnte, vorbei sind. Klubs wie Porto oder Leverkusen haben deshalb kaum eine Chance mehr, ganz oben mitzuspielen. Nicht umsonst haben die Bayern Toni und Ribéry geholt. So etwas geht aber nur bei den zehn besten Klubs der Welt. Wenn man die Plätze fünf bis zehn in England mit den in Deutschland vergleicht, dann machen wir es viel besser. Da kritisieren wir uns manchmal zu hart.