NATIONALMANNSCHAFT Und die ganze Nation kickt mit

»Wir Deutsche wollen zur Weltmeisterschaft, wir alle«, sparte Teamchef Rudi Völler am Abend vor dem entscheidendem Relegations-Rückspiel nicht mit pathetischen Worten.

»Wir Deutsche wollen zur Weltmeisterschaft, wir alle«, sparte Teamchef Rudi Völler am Abend vor dem entscheidendem Relegations-Rückspiel nicht mit pathetischen Worten. »Tante Käthe« wies seine vielgescholtenen Fußball-Millionäre eindringlich darauf hin, dass neben den 22 deutschen Fußballer-Beinen auch noch die ganze Nation im Gleichschritt nach der Kugel treten wird. Die markigen Worte scheinen jedoch gar nicht nötig: »Am liebsten wäre es den Jungs, wenn sie sofort 'raus könnten und es los ging. Wir sind in Wartestellung. Wir sind bereit. Alle wollen zeigen, was in ihnen steckt«, erklärte Völler bei seinem letzten öffentlichen Auftritt vor dem Spiel.

Niederlage kein Thema

Kurz nach dem Mittagessen stellte sich Völler am Dienstag in Dortmund das letzte Mal den Fragen einer Hundertschaft von Reportern. Über ein mögliches Scheitern und die daraus folgenden Konsequenzen für sich, Fußball-Deutschland und die Nationalspieler wollte der Teamchef nicht hören: »Ich gehe fest davon aus, dass wir es packen. Es ist mein einziger Gedanke, wie es auf dem Platz funktionieren kann«, verdrängte Völler energisch jede Beschäftigung mit einem Negativ-Erlebnis.

Kompakte Defensive

Stattdessen will der 41-Jährige auch in seinem 15. Länderspiel konsequent seine Linie weiter gehen. Unabhängig von Taktik und Aufstellung des Gegners, »die uns nicht erschüttern wird«, soll die deutsche Mannschaft wie beim 1:1 vor vier Tagen aus einer »kompakten Defensive« agieren.

Vertraute Viererkette

Vor Erfolgsgarant Oliver Kahn soll erneut die Viererkette mit Marko Rehmer, Jens Nowotny, Thomas Linke und Christian Ziege den Strafraum sauber halten. Ein Mittelfeld mit den drei Leverkusenern Bernd Schneider, Carsten Ramelow, Michael Ballack und dem Liverpooler Dietmar Hamann soll vor allem Andrej Schewtschenko keinen Raum für die gefährlichen Konter der Ukrainer geben.

Remis will keiner

Theoretisch reicht den deutschen Kickern ein 0:0, um sich das Ticket zur Weltmeisterschaft 2002 zu sichern. Doch auch davon wollen weder die Spieler noch Rudi Völler etwas hören. »Es wäre fatal zu denken, uns genügt ein 0:0«, sagte er entschieden. Doch angesichts der defensiven Ausrichtung sind personelle Umstellungen nur im Angriff zu erwarten.

Pech für Wörns und Ricken

Bayern-Hüne Carsten Jancker, im englischsprachigen Ausland gerne auch als »the Tank« tituliert, und der Leverkusener Wirbelwind Oliver Neuville sollen für Alexander Zickler und Gerald Asamoah in die Anfangsformation aufrücken. Den Borussen-Profis Lars Ricken und Christian Wörns verschafft allein der Heimvorteil keinen Platz im Team. »Auch wenn das Spiel hier in Dortmund ist. Es ist kein normales Länderspiel. Jeder wird begreifen, dass wir eine Nation sind«, sagte Völler und versprühte dabei erneut eine Prise Pathos, die doch schwer an »Kaiser«-Zeiten erinnerte.

Bierhoff mit dem »Grünen Punkt«

Ein fast schon sagenhaftes Recycling erfährt dagegen der fast schon kompostierte Oliver Bierhoff. Ausgerechnet dem entmachteten Kapitän, dessen Einsatz »Kaiser« Franz Beckenbauer in deutschen Stadien als nicht mehr zumutbar für die Fans bezeichnete, soll zur Not als »Joker« für den nötigen Druck sorgen. Oder um es mit dem nötigen Völler-Pathos zu sagen, zum Retter der Nation werden. »Olli ist immer gefährlich, wenn er so angespielt wird, wie er es braucht«, verwies Völler auf die Kopfballstärke des derzeit noch erfolgreichsten deutschen Stürmers (31 Tore in 58 Länderspielen).

Kein TV, keine Zeitungen

Mit erstaunlicher Lockerheit versuchen die Spieler, den enormen Druck in den Stunden bis zur Entscheidung zu beherrschen. »Wenn man kein Fernsehen schaut und keine Zeitung liest, denkt man, man ist im Urlaub«, sagte Abwehrchef Nowotny in Bezug auf die totale Abschottung im Mannschaftshotel »Lennhof«.

Mehr Geld gibt¿s nicht

Die Motivation stimmt. Und wer da schelmisch denkt, dass die deutschen Kicker für ihren Motivationsschub entsprechend üppiger bezahlt werden, liegt völlig falsch: Eine Prämie zahlt der Deutsche Fußball-Bund erst für Erfolge bei der WM-Endrunde. Die Höhe der dann noch auszuhandelnden Zahlung dürfte ähnlich wie bei der letzten EM liegen. Da hätte ein Titelgewinn jedem Akteur 125 000 Mark gebracht.

Von Jochen Knecht

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