SPORTSHOW Fußball ohne Fußball

Können sie sich vorstellen, eine Fußballshow im Fernsehen anzuschauen, die nicht ein einziges Bild von den Spielen zeigt? Die Italiener scheinbar schon.

»Del Piero lässt zwei Spieler stehen. Er legt sich den Ball noch einmal vor. Schießt aus 20 Metern. Tor - Tooor!« Die Fußballfans sitzen verzaubert vor ihrem Fernseher. Dabei sehen sie gar nicht, wie der Star von Juventus Turin sein Traumtor erzielt hat. Auf der Mattscheibe jubelt nicht Alessandro del Piero, sondern ein Kommentator.

Fußballnation Italien im Jahre 2001. Die Bürger verfolgen Sonntag für Sonntag die Spiele in ihrer »Seria A«. Eigentlich ist alles wie eh und je.

Aber können sie sich vorstellen, eine Fußballshow im Fernsehen anzuschauen, die nicht ein einziges Bild von den Spielen zeigt? Die Italiener scheinbar schon.

Keine Spielszenen

Der öffentlich-rechtliche Sender »RAI 2« zeigt in seiner Fußballsendung »Quelli che il calcio« (»Die, die den Sport«) am Sonntagnachmittag nur Kommentatoren, die vom Geschehen berichten.

Spielszenen gibt es nicht zu sehen. Keine Freistöße, keine Dribblings, keine schönen Kombinationen und keine Tore. Mit ein wenig Glück kann man jubelnde Spieler im Bild erspähen und verfolgen, wie die Fans im Stadion feiern.

Die Rechte für die Live-Ausstrahlung der Fußballspiele liegen bei den Kollegen der Pay-TV-Sender »Tele+« und »Stream«. »RAI 2« blieb nur die Möglichkeit, auf diese ungewöhnliche Art von den Spielen zu berichten.

Konkurrenz fürs Pay-TV

Und das mit Erfolg. Mehr als drei Millionen Zuschauer schalten jeden Sonntag bei »Quelli che il calcio« ein. Aus der Notlösung ist mittlerweile eine exzellent funktionierende Klamaukshow, mit Ironie und Parodie auf das komplette Gebiet des Fußballs, geworden. Die Sendung ist nicht nur Kult, sondern auch eine ernsthafte Konkurrenz für die Sportformate der italienischen Bezahlsender.

Prominente Italiener geben in der Show genauso ihren Kommentar zum Spiel ab, wie verletzte oder gesperrte Fußballer.

»Korrespondentin« Marini

Die Krönung: In diesem Jahr ist Valeria Marini zur »Korrespondentin« gemacht worden. Auch ohne Kompetenz im Fachgebiet Fußball »überzeugt« das Showgirl mit den Silikonbrüsten und den aufgespritzten Lippen das Publikum. Dabei wird die Freundin des AC Florenz Präsidenten Vittorio Cecchi-Gori oft Zielscheibe ihrer fachlich versierteren Kollegen.

Das Konzept ist aufgegangen. Und das nicht nur bei »RAI 2«. Auch bei anderen Fernsehsendern Italiens gibt es ähnliche Übertragungen von Sportereignissen. Die fußballbegeisterten Italiener, die sich Pay-TV nicht leisten können oder wollen, haben die Alternative scheinbar akzeptiert.

Christian Meyer

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