Der Kader steht. Und Andi ist auf der Palme: "Wieso nimmt der Klinsmann den Schneider mit und nicht den Owomoyela? Der ist immerhin Ex-Armine und kennt sich mit den Widrigkeiten des Fußballerlebens aus." Oder: "Wieso stellt der nicht doch den Kahn ins Tor?" So geht das jetzt seit fast 24 Stunden. Andi weiß alles besser. Wieso hat er bloß Maschinenbau studiert und ist nicht Bundestrainer geworden? Bundes-Andi. Wäre doch ein toller Titel. Mit ihm an der Spitze würde die deutsche Elf bestimmt die Trophäe holen - denkt er. Dabei bringt er noch nicht einmal seinen Hund dazu, einen Ball zu apportieren.
Und ich weigere mich ehrlich gesagt auch langsam, ihm ständig seine blöden Panini-Sammelbilder oder das "Offizielle Lizenz-Knusperfrühstück" von Nestle mitzubringen. Die ganze Bude ist schon voll gestopft mit diesem Kram. Die Flurwände sind mit Postern aller WM-Stadien tapeziert, demnächst kommen noch die der Mannschaften dazu. Auf dem Klo steht neuerdings ein Zeitungsständer mit Fußballer-Fachliteratur, außerdem ein Mini-Fernseher - falls Andi mal in einem unpassenden Moment muss.
Brasilien, Deutschland oder Angola
Aus seinem Telefon hat er alle Nummern (Polizei, Feuerwehr, Pizzataxi, Eltern, Oma und Schlüsseldienst) gelöscht und unter "Fußball 1 bis Fußball 6" die Nummern seiner sechs besten Kumpels gespeichert. Für Konferenzschaltungen während der Spiele. Unter der Schlafzimmerdecke hängen drei Flaggen: Die Brasilianische - weil die laut Andi Weltmeister werden könnten - die Deutsche - weil wir ja Weltmeister werden - und die Angolanische - er will auch einem Außenseiter eine Chance geben.
Das Bett ist neuerdings in schwarz-rot-gold bezogen und der absolute Hammer sind die in WM-Rasen-Grün fluoreszierenden Kondome. Schrecklich. Auf dem Balkon liegt neuerdings Kunstrasen und die kleine Zapfanlage steht schon lange bereit. Sie wird zurzeit jeden Abend auf's Neue eingeweiht. Den Küchentisch hat Andi am Wochenende mit einem Speziallack behandelt, damit er mit Kreide darauf malen kann. Weil er natürlich alle möglichen Spielzüge nachvollziehen und dann damit angeben will, dass er diese Viererkette oder jene Was-weiß-ich ganz anders aufgebaut hätte. Natürlich.
90 Minuten einer Beziehung
Und dann wäre alles besser geworden. Natürlich. Ich werde jetzt sofort losfahren und ihm das neue Bundestrainer-Duschgel kaufen. Und damit werde ich ihm ordentlich den Kopf waschen - in der Hoffnung, dass er merkt, dass das Leben mit mir mehr als 90 Minuten hat. Für mich gibt es - um es mit Toni Polster zu sagen - nur noch eine Möglichkeit: Sieg, Unentschieden oder Niederlage. Wenn das alles so weiter geht, steht Andi bald im Abseits.