Die Hamburg Freezers spielen eine hervorragende Saison und eilen von Sieg zu Sieg. Die Tabellenführung ist mittlerweile zum Greifen nahe. Und das alles, obwohl den Hamburgern viele wichtige Profis verletzungsbedingt fehlen. Es könnte die erfolgreichste Saison der Clubgeschichte werden.
Wille, Moral, Leidenschaft - Begriffe, die bei den Hamburg Freezers längst vergessen schienen und in den vergangenen Jahren zu Fremdwörtern verkamen sind wieder angesagt in der Hansestadt. Der DEL-Club begeistert seine Anhänger Woche für Woche mit leidenschaftlichen Auftritten und greift nach einem Sechs-Punkte-Wochenende mit Heimsiegen gegen Wolfsburg (3:2) und München (1:0) nach den Sternen, sprich der Tabellenführung. Jahrelang schien dieses Ziel vom "Planet Ice" aus, wie die Anschutz-Filiale sich seit ihrer Gründung im Jahr 2002 gerne nennt, Lichtjahre entfernt.
Der Rückstand auf Spitzenreiter Mannheim beträgt lediglich ein Pünktchen und das mit zwei Nachholspielen in petto. Knapp 70 Prozent ihrer Spiele konnten die Freezers in dieser Saison für sich entscheiden, mehr als jede andere Mannschaft. Nach 18 Spielen stehen 37 Punkte zu Buche, im Vergleich mit den Vorjahren ein geradezu astronomisch hoher Wert. Zum gleichen Zeitpunkt hatten die Hamburger in den letzten beiden Spielzeiten gerade einmal 20 (2010) bzw. 18 (2009 als Schlusslicht) Zähler auf dem Konto.
Erfolgreich wie in 2004
In ihrer besten Spielzeit 2004 waren die Freezers nach 18 Spielen genauso erfolgreich wie heute, hatten ebenfalls 37 Punkte geholt. Damals beendeten die Hamburger unter Trainer-Legende Dave King die Hauptrunde auf dem dritten Rang und zogen anschließend ins Halbfinale der Playoffs ein. Das bisher einzige Mal in der neunjährigen Geschichte des Clubs. Die Anzeichen mehren sich, dass diese Saison der damaligen Spielzeit Konkurrenz machen könnte.
Die Hamburger spielen konstant auf hohem Niveau, ein Einbruch scheint nicht in Sicht. Dabei müssen die Laporte-Schützlinge seit Wochen auf eine Reihe von Leistungsträgern verzichten. Derzeit fehlt mit Kapitän und Starverteidiger Christoph Schubert die Gallionsfigur der Hamburger, zudem müssen Charly Cook (Gehirnerschütterung), Thomas Dolak (Muskelfaserriss in der Wade) und Topscorer Serge Aubin (Seitenbandriss im Daumen, 16 Punkte in 16 Spielen) verletzungsbedingt passen.
Freezers zeigen Charakterstärke
Ein ernsthaftes Problem ist das für die intakte Hamburger Truppe nicht. "Zurzeit muss einfach jeder Spieler ein bisschen mehr arbeiten als sonst. Das machen die Jungs super", sagt Schubert, der sich kürzlich beim Deutschland-Cup der Nationalmannschaft einen schweren Muskelfaserriss zuzog. Die Mannschaft der Freezers ist zusammengerückt und glänzt mit Charakterstärke - eine Eigenschaft, die man bei den Teams der letzten Jahre vergeblich auszumachen versuchte.
"Wir sind auf dem richtigen Weg", bilanziert Stürmer David Wolf. Der 22 Jahre alte Youngster bildet mit Thomas Oppenheimer und Garret Festerling die dritte Angriffsreihe, die wichtigen Anteil am Erfolg der Mannschaft hat. Mit fünf Toren und sieben Vorlagen hat der Publikumsliebling schon jetzt seine punktbeste Spielzeit überboten. Wolf hat ein großes Kämpferherz, die Fans honorieren das. Wolf gehört zu der Art Spieler, auf die die Freezers in Zukunft noch mehr setzen wollen.
Deutsche Spieler im Fokus
"Wir werden in den nächsten Jahren bei unseren Transfers den Fokus auf deutsche Spieler legen", sagt Sportdirektor Stephane Richer, der den eingeschlagenen Weg weiter gehen möchte. "Nur so können wir den nächsten Schritt machen." Die Vertragsgespräche mit den eigenen deutschsprachigen Profis laufen bereits.
Das Kriterium für Neuzugänge ist klar umrissen: jung und deutsch. Der Münchner Martin Buchwieser, eines der größten Talente der Liga, gilt als einer der Wunschkandidaten. Die Topclubs aus Berlin und Mannheim buhlen ebenfalls um den 22 Jahre alten Goalgetter (sechs Tore).
Die Chancen der Hamburger im Werben um den jungen Nationalspieler stehen dennoch nicht schlecht. Denn Trainer Benoit Laporte setzt bei den Freezers auf junge Spieler, schenkt ihnen wie Wolf und Co. viel Eiszeit und Vertrauen. Das könnte auch Buchwieser überzeugen. Der Coach genießt ein hohes Ansehen bei seinen Spielern.
"Er hat großen Anteil am Erfolg", sagt Verteidiger Rainer Köttstorfer. Zwar gilt der Trainer als harter Hund, er habe sich jedoch mit der Zeit etwas geändert, so Laporte selbst, der im vergangenen Dezember nach Hamburg gekommen war. Mittlerweile hat der Franko-Kanadier Dave King (2003 bis 2005) als Trainer mit der besten Punkteausbeute überholt. "Davon wusste ich selber gar nichts", sagt Laporte.
"Können noch besser"
In Richtung Konkurrenz macht er klare Ansagen: "Wir können noch besser spielen, viele Jungs haben noch Luft nach oben." Die Hamburger sind Laportes dritte DEL-Station nach Augsburg, Nürnberg und Ingolstadt. Die Ice Tigers führte er 2007 zur Vizemeisterschaft. Kann es für die Freezers ähnlich weit gehen? "Wir müssen auf dem Boden bleiben, es liegt noch viel Arbeit vor uns", sagt Laporte, "wir sind gut, aber noch nicht überragend".
Wenn in den kommenden Wochen die verletzten Leistungsträger zurückkehren, könnten die Hamburger den nächsten Sprung machen. Trotz aller mahnender Worte weiß auch Trainer Laporte, dass seine Jungs in dieser Saison bereits einiges geleistet haben und lässt Taten sprechen. Erst spendierte der Coach nach dem Sieg gegen München ein Bier in der Kabine, dann gab er seinen Spielern bis Dienstagabend frei. Kraft tanken für das nächste Spiel gegen Augsburg. Bei Laportes Ex-Verein werden die Freezers am Freitag den nächsten Angriff auf die Tabellenspitze wagen.
Daniel Pietzker