Der Traum vom Tief ist letzte Nacht erst einmal zerronnen. Aufgewacht davon, dass das Schiff keine Fahrt macht. Schlagende Segel. Merkwürdig, dass man davon wach wird, dass es ruhig ist. Jedes Manöver an Deck verursacht im Schiffsinneren so beängstigende Geräusche, als würde die ‘Uca’ gerade durch eine Schreddermaschine geschoben. Grinder rattern, Winschen jaulen, Stiefel trappeln, und wenn die straffen Schoten gefiert werden, klingen sie wie das Brüllen verwundeter Kühe. Der Kunststoffrumpf ist ein unglaublich wirksamer Resonanzboden, die Kakophonie darin ohrenbetäubend; wer hier schlafen kann, kann es auch neben einer angreifenden Panzerdivision.
Kein Wind, fahle graue Leere
An Deck. Vier Uhr. Wattiger, grauweißer Nebel, durch den sich das erste Licht des Morgens tastet. Kein Wind. Fahle graue Leere. Wir durchfahren ein Gebiet, in dem das kalte Wasser eines Abzweigs des Labradorstromes auf wärmeres Wasser trifft und man ständig mit Nebelbänken rechen muss. Wache und Standby-Wache hocken in grauem Ölzeug in der Plicht und dösen. Haben wir etwas falsch gemacht? Oder ist das Tief, das wir heute Nacht treffen sollten anders gezogen?
Wo liegt die Konkurrenz?
Erst um acht beginnt es, aufzubrisen. Jetzt wissen wir auch, wo die Konkurrenz steht. Die 'Zephyrus' ist in das gleiche Flautenloch wie wir gefahren und liegt ein paar Meilen vor uns. Aber die 'Nordbank' hat sich westlicher gehalten, bessern Wind gehabt und trotz des östlichen 'Point Alpha', den wir alle erreichen müssen, eine bessere Position. Mit Spinnaker und zusätzlichem Stagsegel nehmen wir die Verfolgung auf. Ein Wal wird gesichtet, Delphine, eine Schildkröte. Ansonsten die Gegend, durch die wir fahren, gleichförmig.
Die Kanalarbeiter des Segelschiffs
Ich gehöre zu den Grindern. Die stehen mittschiffs an drei hüfthohen Kurbeln und drehen auf Kommando an ihnen wie durchgeknallte Leierkastenspieler. Dadurch werden Segel hochgezogen, Fallen durchgesetzt, Schoten dichtgeholt und ab und zu wird ein Mann in den Mann gehievt, um da oben etwas zu reparieren oder auszuwechseln. Im Seglerjargon werden die Grinder Kanalarbeiter genannt - außer Muckis brauchen sie nichts. Schon gar keinen Kopf. Vielleicht sind wir an den Grindern deswegen vorzugsweise Akademiker - Peter, Chirurg aus Flensburg, Ulli, Unternehmensberater aus Hamburg, Rasmus, Jurist aus Berlin, Peter, Internist an der Uniklinik in Hamburg, Leber-Spezialist. "Wenn ich das erwähne", sagt er, "kriegen die Leute immer so einen erwischten Gesichtsausdruck".
Die Mörderjobs liegen unter Deck oder in der Luft
Wir sind eine absolut zufriedene Truppe, solange sie uns an unseren Kaffeemühlen lassen. Lieber zwei Stunden grinden als eine halbe Stunde bei Seegang unter Deck den Spinnaker zusammenlegen und in den Sack stopfen, der mehr als die halbe Schiffslänge einnimmt. "Spi tuchen!" gehört zu den gefürchtetsten Kommandos. Ein Mörderjob. Zum Glück machen ihn meistens Ruwen, Paul, Piet und Alex, die Youngster aus der Werft und den Reihen des Kieler Yachtclubs. Noch mörderischer ist die Arbeit von Gunnar und Nico, die auf dem Vorschiff arbeiten und bei Bedarf auch in den Mast hoch müssen. 37,84 Meter über dem Meeresspiegel. Aber da ist kein Spiegel, da ist eine wüste Berg- und Tal-Landschaft. Und aus den knapp 40 Meter wird ein gefühlter Mount Everest.
Kurzes Vergnügen
Am Nachmittag nimmt der Wind immer mehr zu, und wir nehmen den Spinnaker weg, bevor es der Wind tut. Dann plötzlich ein Jubelschrei: zum ersten Mal auf dieser Reise läuft das Boot schneller als 20 Knoten. Fly, 'Uca', fly! Aber am Abend lässt der Wind schon wieder nach.