Die Tour hat eine bewegte erste Woche hinter sich, mit einem deutschen Fahrer im Gelben Trikot, vielen spektakulären Etappen, aber auch mit einem offenbar unvermeidlichen Dopingfall. Mit den ersten Bergetappen beginnt nun traditionell der Schlagabtausch der Favoriten um den Gesamtsieg. Nachdem die erste Bergetappe mit dem Col d’Aspin trotz des souveränen Sieges von Riccardo Ricco noch keine Vorentscheidung brachte, stehen die Fahrer nun vor den ersten beiden Bergriesen der Pyrenäen, dem Tourmalet und der Skistation in Hautacam.
Der Col du Tourmalet ist der erste Pyrenäen-Pass überhaupt, der in das Programm der Tour aufgenommen wurde. Das war im Jahr 1910, als das Feld über eine Schotterstraße fuhr und noch wilde Bären an der Strecke lebten und für Furcht und Schrecken bei den Fahrern sorgten. Die Geschichten um diesen Berg machen einen großen Teil der Faszination der Tour aus. Wie L'Alpes d'Huez oder der Mont Ventoux gehört der Anstieg zu den Mythen der Frankreich-Rundfahrt.
Ein tückischer Berg
Was den Tourmalet zum Mythos gemacht hat, ist vor allem seine Unberechenbarkeit. Die Alpenriesen sind zum Teil höher oder steiler, aber auch regelmäßiger, es ist ein ehrlicherer Kampf des Fahrers gegen den Berg als hier. Am Tourmalet kommt plötzlich ein heißer Wind um die Ecke und raubt den Fahrern die Luft zum Atmen. Dann findet man in einem flacheren Stück scheinbar seine Form wieder, um dann wieder mit einer brutalen Rampe konfrontiert zu werden. Es ist ein tückischer Berg, und er scheint sich zu wehren, wenn man ihn bezwingen will.
Das Feld kommt aus östlicher Richtung, aus St. Marie de Campan, die Seite, wo man vor der Passhöhe die Skistation La Mongie passiert. Die letzten zehn Kilometer auf dieser Seite zählen zum schwersten, was der Radsport zu bieten hat, manche Rampen stehen wie Wände vor den verzweifelten Fahrern.
Aber nach dem Tourmalet ist das Leiden ja noch nicht zu Ende, denn nach der langen Abfahrt kommt noch der kaum weniger schwere Schlussanstieg zur Skistation Hautacam, erst hier fällt wirklich die Entscheidung über den Etappensieg.
Ricco nun Favorit
Das Feld der Favoriten für diesen Tagesabschnitt scheint übersichtlich zu sein, aber vielleicht liegt auch gerade darin die Gefahr, denn in dieser unübersichtlichen Tour ist das Leistungsvermögen noch schwer einzuschätzen.
Sicherlich gilt Riccardo Ricco, die „Kobra“ aus der Mannschaft Saunier Duval als Topfavorit, gerade nach seiner Leistung am Aspin. Die Spekulationen um seine laut "L'Equipe" angeblich extrem auffälligen Blutwerte wischt der zweifache Etappensieger vom Tisch: "Ich habe jetzt zwei Etappensiege und damit die richtige Antwort auf die Polemiken der letzten Tage gegeben."
Ricco selbst setzt für den Tourmalet allerdings auf seinen Teamkollegen, den italienischen Kletterspezialisten Leonardo Piepoli. Nur ein Ablenkungsmanöver?
Bei Cadel Evans wird man abwarten müssen, wie er seine Sturzverletzungen wegsteckt. Ansonsten Valverde? Kim Kirchen? Menchov? Sastre? Viele Fragezeichen. Oder einer der aufstrebenden Fahrer wie der junge Tscheche Roman Kreuziger, der Gewinner der Tour de Suisse? Aus deutscher Sicht ruhen die Hoffnungen ein wenig auf Stefan Schumacher, mehr aber noch auf dem bisher sehr überzeugenden Christian Knees (Milram).
Alle drei Träger des Gelben Trikots nach der Hautacam-Ankunft in der Vergangenheit gewannen nachher die Tour, Miguel Indurain 1994, Bjarne Riis 1996 und Lance Armstrong im Jahr 2000. Ob diese Serie hält? Man wird sehen, aber eine Vorentscheidung wird es hier in jedem Fall geben. Auch wenn der erste Berg nicht die Tour entscheiden wird – viele Fahrer werden hier bereits ihren Traum vom Toursieg 2008 begraben.