Der «Überflieger» verneigte sich vor dem begeisterten Publikum und genoss das Bad in der Menge: Sven Hannawald hat mit dem Erfolg beim Auftaktspringen in Oberstdorf seinen Triumphzug durch die Vierschanzentournee fortgesetzt und erneut Geschichte geschrieben. 44 Jahre nach Helmut Recknagel feierte der Grand-Slam-Gewinner des Vorjahres als zweiter Springer den fünften Sieg nacheinander und machte zugleich einen ersten Schritt zur Titelverteidigung. «Das war eine unglaubliche Geschichte. Toll für die Zuschauer und natürlich für mich», sagte der Hinterzartener.
Mit 263,1 Punkten für Sprünge von 125,5 und 119 m verwies Hannawald den Weltcup-Spitzenreiter Martin Höllwarth (Österreich) um 5,4 Zähler auf Rang zwei. Martin Schmitt feierte als Vierter hinter dem Finnen Janne Ahonen (257,5) ein großartiges Comeback in der Weltspitze. Der 24-jährige Tannheimer sprang 121 und 119 m und verschaffte sich mit 252,5 Punkten ebenfalls eine glänzende Ausgangsposition für die folgenden drei Springen in Garmisch- Partenkirchen (1.1.), Innsbruck (4.1.) und Bischofshofen (6.1.).
«Mir ist ein großer Stein vom Herzen gefallen. Ich war vor dem zweiten Sprung super nervös und habe mir gedacht, jetzt musst den runter schaukeln», berichtete Hannawald. Zu den ersten Gratulanten für die außergewöhnliche Leistung gehörte neben Bundestrainer Reinhard Heß auch Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber. «Es ist ein unglaublicher Erfolg, fünfmal hintereinander zu gewinnen. Das ist so bemerkenswert», sagte der Ehrengast.
20.000 Zuschauer im ausverkauften Skistadion an der Schattenbergschanze waren schon im ersten Durchgang aus dem Häuschen. Zunächst unterstrich Martin Schmitt seine ansteigende Form. «Ich bin froh, dass mir ein guter Einstieg gelungen ist», sagte der Doppel- Weltmeister. Als Hannawald dann auf 125,5 m segelte, kochte die Stimmung über. «Das war eine Bombe», jubelte der 28-Jährige. Für den perfekten Sprung gaben vier von fünf Wertungsrichtern die Höchstnote 20. «Danach war ich mir sicher, dass die Jungs das ziehen, wenn kein Sturm von hinten kommt», sagte Heimtrainer Wolfgang Steiert in Bezug auf die wechselnden Wind-Bedingungen.
Doch auch diese konnten Hannawald nicht stoppen. Der Hinterzartener ist nach dem verpatzten Saisoneinstieg mit dem Absturz in Kuusamo und der folgenden Weltcup-Pause wieder im seelischen Gleichgewicht. «Was wir in den Wochen danach erlebt haben, zeigt die Qualität des gesamten Betreuerteams», erklärte Steiert. Der Erfolg von Engelberg vor einer Woche hat viel von dem Druck genommen, der auf Hannawald lastete. «Er brauchte dieses Ergebnis, um an sich zu glauben. Er hat seine Sieger-Mentalität wieder gefunden», sagte Bundestrainer Reinhard Heß.
Mit den alten Ski und einem neuen Anzug hat Hannawald nun endlich das passende Material gefunden. Ansonsten ist alles beim Alten geblieben, auch wenn der «Sportler des Jahres» von einer Rundumwäsche berichtete. Wie im Vorjahr konzentriert sich Hannawald auf sein «Zeug» und kopiert sogar die Abläufe vor den Wettkämpfen. So verzichtete er am Samstag nach den weitesten Trainingssprüngen auf die Qualifikation, die er auch bei seinem Vierfach-Triumph stets «geschwänzt» hatte. «Das war aber kein Aberglaube. Ich war mir nach dem Training einfach sicher, dass ich die Schanze beherrsche», erläuterte Hannawald.
«Ich bin selbst überrascht, wie gut es schon wieder geht», meinte Hannawald, der nach seiner Knieoperation im Frühjahr den ganzen Sommer zur Tatenlosigkeit verurteilt war. Nun strotzt er vor Tatendrang - und die Konkurrenz soll dies auch nach Oberstdorf zu spüren bekommen.