Die Bundesregierung hat ihre Konjunkturprognosen für dieses und nächstes Jahr leicht gesenkt, ist aber immer noch optimistischer als die führenden Wirtschaftsforscher. Rot-Grün schätzt die Wachstumsaussichten skeptischer ein als noch im Spätherbst. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement begründete am Freitag die Korrektur der Vorhersage für 2004 mit dem schwachen ersten Quartal.
Clement erwartet "eher" 1,5 Prozent
Zwar geht der Sozialdemokrat für beide Jahre von einem Wachstum zwischen 1,5 und 2,0 Prozent aus. "Spitz gerechnet" - also der für die Haushaltsplanung maßgebliche Wert -, erwartet er aber dieses Jahr "eher" 1,5 und nächstes Jahr 1,8 Prozent. Bisher lagen die Angaben bei 1,7 beziehungsweise 2,25 Prozent. Nach dem enttäuschenden ersten drei Monaten mit minimalem Wachstum rechnet Clement mit einem Anziehen der Konjunktur, beflügelt vor allem durch massive Zuwächse der Exporte.
Die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute sehen für 2004 und 2005 jeweils 1,5 Prozent. Die Konjunkturerholung werde nächstes Jahr stärker, sagte Clement. "Die Weltwirtschaft boomt, der Welthandel brummt." Die jetzt schon absehbare gute Entwicklung führe dazu, dass die Belebung an Breite und Dynamik dazugewinne. Denn endlich springe auch der Binnenmarkt an.
Defizitquote unter 3 Prozent erreichbar
Nach Worten Clements kann die Bundesrepublik 2005 die Euro-Vorgabe beim Staatsdefizit schaffen. "Wir gehen davon aus, dieses Ziel zu erreichen", sagte er. Die Neuverschuldungsgrenze werde knapp unter der erlaubten Höchstgrenze von 3,0 Prozent liegen. Forderungen nach einem neuen Sparpaket wies Clement zurück. "Im Moment ist nicht der Zeitpunkt, darüber zu reden." Es gebe keinen Automatismus. Zunächst müsse die Steuerschätzung Mitte Mai abgewartet werden.
Die Institute erwarten dagegen, dass Deutschland das Euro-Stabilitätskriterium 2005 mit 3,5 Prozent das vierte Jahr in Folge reißt. Clement verwies darauf, dass die Institute 2005 etwas weniger Wachstum erwarteten, was sich auf die Staatsfinanzen auswirken würde. Doch teile die Regierung eben nicht diese Einschätzung.
Massiver Exportzuwachs
"Die Signale für eine weitere konjunkturelle Erholung sind unübersehbar", begründete Clement seinen Optimismus. Der ifo-Geschäftsklimaindex sei ebenso gestiegen wie die Inlandsaufträge der Industrie. Der Exportzuwachs werde 2004 6,4 Prozent und 2005 7,3 Prozent betragen. Die EU-Erweitung bringe starke Impulse. Das vom Deutschen Gewerkschaftsbund geforderte staatliche Konjunkturprogramm lehnte Clement entschieden ab. Die Diskussion darüber sei "völlig falsch und unnötig", betonte der SPD-Politiker. Viel wichtiger sei, das Land weiter zu reformieren.