Teuerung Warum die gefühlte Inflation höher ist als die tatsächliche

Eine Einkaufstasche mit Äpfeln
Die Preise für Lebensmittel steigen immer noch weiter
© Picture Alliance / DPA
Endlich hat die Inflation an Fahrt verloren – gleichwohl ist die Teuerung für viele Deutsche immer noch die größte Sorge. Denn bei manchen Gütern legen die Preise sogar zu.

Deutschland kann aufatmen: Die Inflation verlangsamt sich. Im Januar lag die Teuerung im Jahresvergleich bei 2,9 Prozent – der niedrigste Wert seit Juni 2021. Damals betrug die Inflationsrate 2,4 Prozent. Vor allem die Preissituation bei den Energieprodukten habe sich "sichtlich entspannt", so das Statistische Bundesamt. Gleichzeitig aber bleibt der Einkauf im Supermarkt teuer, weil für bestimmte Lebensmittel die Preise deutlich stiegen.

Es klafft also mitunter eine Lücke zwischen der reinen Statistik und dem, was Menschen in Deutschland tagtäglich in ihrem Alltag spüren. 

Die gute Nachricht ist, dass sich Energieprodukte im Januar um 2,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat verbilligten – und das, obwohl im Dezember die Preisbremsen für Strom und Gas endeten und der CO₂-Preis stieg. Haushaltsenergie wurde um 3,4 Prozent günstiger, Kraftstoffe um 2,0 Prozent. Die Preise für feste Brennstoffe, Heizöl, Strom und Erdgas sanken ebenfalls. Für Fernwärme musste man jedoch 13,3 Prozent mehr zahlen als noch vor einem Jahr.

Energie günstiger, Lebensmittel teurer

Noch stärker bekommen Menschen den Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln zu spüren: Sie lagen mit 3,8 Prozent weiterhin über der Gesamtinflation. Zwar geht der Trend auch hier nach unten, die Zahlen für einige Lebensmittel lassen aber aufhorchen: Mit einem Plus von 46 Prozent wurde zum Beispiel Olivenöl deutlich teurer. Die Produzenten nennen Lieferprobleme als Grund. Die Nachfrage übersteige das Angebot, deshalb werde mehr dafür aufgerufen.

Auch Frucht- und Gemüsesäfte verteuerten sich im Vergleich zu Januar 2023 um fast ein Fünftel (18,3 Prozent). Vor allem Snacks und Süßwaren scheinen sich preislich gegen die Gesamtinflation zu bewegen: Schokolade wurde um 14 Prozent teurer, Kaugummi, Gummibärchen, Bonbons, Pralinen oder ähnliche Genusswaren um 13,5 Prozent, Chips um 13,4 Prozent und Speiseeis um 13,3 Prozent. Bei Gemüse und Obst stiegen die Preise ebenfalls. So verteuerten sich zum Beispiel Bananen um 12 Prozent zum Vorjahresmonat. Auch für Zucker, Marmelade, Honig und andere Süßwaren müssen Verbraucher aktuell tiefer in die Tasche greifen – 10,7 Prozent mehr kosteten sie im Jahresvergleich. Bei Brot lag der Aufpreis bei 5,4 Prozent. 

Immerhin: Die billigen Energiepreise – Gas zum Beispiel ist so günstig wie seit sechs Monaten nicht mehr – glichen die im Vergleich zur Gesamtinflation höheren Lebensmittelpreise trotzdem aus. Im Dezember 2023 lag die Inflationsrate noch bei 3,7 Prozent. Als Ziel strebt die Europäische Zentralbank (EZB) einen Wert von 2 Prozent für den Euroraum an. Um das zu erreichen, erhöhten die Währungshüter die Leitzinsen seit Sommer 2022 zehn Mal in Folge auf inzwischen 4,5 Prozent.

Grafik zur Preisentwicklung
Preisentwicklung ausgewählter Waren und Dienstleistungen, Januar 2024
© Statistisches Bundesamt (Destatis)

Warum die gefühlte Inflation höher ist

Warum aber ist die gefühlte Inflation dennoch höher als die tatsächliche? "Laut einer aktuellen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach ist Inflation für drei von vier Deutschen die größte Sorge – noch vor dem Krieg in der Ukraine", sagt Dominik Enste, Experte für Verhaltensökonomik beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW), zu Capital. Dies sei unter anderem damit zu begründen, dass Verbraucher die Preissteigerung im Alltag unmittelbar spüren und sie persönlich betroffen sind – anders als bei Ereignissen, die vielleicht geopolitisch bedeutsamer sein mögen, aber eher indirekte Auswirkungen auf unseren Alltag haben.

Bei der Wahrnehmung von Inflation spielen also persönliche Erfahrung und Psychologie eine Rolle. "Auch wenn die Preise zurückgehen oder langsamer steigen, dauert die veränderte Wahrnehmung noch einige Zeit", sagt Enste. Menschen nehmen negative Entwicklungen schneller und stärker wahr als positive, so der Experte. Außerdem orientiere sich die Wahrnehmung stärker an bestimmten Produkten als am Durchschnitt. Dies erkläre, warum die Preissteigerungen bei den Grundnahrungsmitteln die Wahrnehmung so stark beeinflussen.

Die teilweise großen Unterschiede innerhalb der Gruppe der Lebensmittel führt Enste auf spezifische Gründe zurück. "Unterschiedliche Preise entstehen vor allem aus verschiedenen Knappheiten auf den Märkten. Wenn Ernten geringer ausfallen oder Lieferketten unterbrochen werden, können Preise auch kurzfristig schwanken." Vor allem, wenn es keine Diversität bei den Produzenten gebe, könne dies zu starken Preisschwankungen führen, so der Experte.

Analyst mahnt zur Vorsicht

Sebastian Becker, Analyst bei Deutsche Bank Research, kommentiert die Entwicklung eher zurückhaltend: "Wie erwartet hat die Inflation im Januar wieder den Rückwärtsgang eingelegt. Es geht also wieder in die richtige Richtung." Gleichzeitig solle der ausgeprägte Rückgang aber nicht überbewertet werden, so Becker. Ein Großteil davon gehe auf einen statistischen Basiseffekt bei der Energie zurück.

Auch erkennt allerdings an, dass sich das Ende der staatlichen Energiepreisbremsen und der Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie nicht stärker auf die Preise ausgewirkt habe. Das sei bemerkenswert. "Es könnte aber auch sein, dass die höhere Mehrwertsteuer auf Speisen erst nach und nach auf die Endkunden umgelegt wird und uns große Teile dieses Preiseffekts daher erst noch bevorstehen", so Becker.

Der Experte erwartet, dass sich die Gesamtinflationsrate im Jahresverlauf weiter abschwächen wird. Vieles hänge aber von der weiteren Entwicklung der Dienstleistungspreise ab. "In diesem Bereich könnten die hohen Lohnabschlüsse für einen anhaltend hohen Preisdruck sorgen und einen Rückgang der noch immer recht hohen Kernrate erschweren", so Becker.

Dieser Artikel erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Capital", das wie der stern Teil von RTL Deutschland ist.

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