Einst haben sie die jetzt 40-Jährigen durch Kindheit und Jugend begleitet, jetzt erobern sie sich in Nischensendungen ihren Platz an der Öffentlichkeit zurück: Die schönsten Werbespots der vergangenen fünf Jahrzehnte. Vom HB-Männchen über Clementine von Ariel, von Tilly von Palmolive bis zum Persil-Mann: Alles alte Bekannte.
Alte TV-Spots fast wie Popsongs
"Diese Werbespots haben unsere einzelnen Lebensabschnitte begleitet wie Popsongs", erkllärt dazu Moderator Roland Baisch, der erst kürzlich auf Kabel1 mit der Sendung "Reklame! Die Klassiker der Werbung" der Retro-Werbung huldigte. Und so frischt die Show das deutsche Gedächtnis auf - ob mit Tante Tilly von Palmolive, deren Kundin im Maniküresalon immer spröde Haut hat und über das Spülmittel zu hören bekommt: "Sie baden gerade ihre Hände drin" oder mit dem HB-Männchen, dessen Spruch "Wer wird denn gleich in die Luft gehen?" zum geflügelten Wort wurde.
Der nostalgische Blick zurück hat derzeit Konjunktur. Fernsehshows lassen die Siebziger, die Achtziger und die DDR wieder auferstehen, Modedesigner, Einrichtungshäuser und Autohersteller verleihen lange vergessenen Klassikern neuen Glanz. Mit dem gegenwärtigen Umbruch auf vielen Gebieten der deutschen Gesellschaft hat dies nach Ansicht des Sozialforschers Heiner Meulemann zunächst nichts zu tun. "Die Erinnerung an die Vergangenheit ist immer Teil des Kulturbetriebes gewesen", sagt Meulemann, der am Kölner Institut für angewandte Sozialforschung arbeitet. "In den 60er und 70er Jahren etwa hat man sich der 20er erinnert - diesen Blick zurück wird es immer geben."
Vorgaukeln von Sicherheit
Gleichzeitig schaue die Bevölkerung derzeit in eine ungewisse Zukunft: "Die Leute wissen nicht, was für eine Gesellschaft Deutschland künftig sein wird", sagt Meulemann angesichts der zahlreichen Reformprojekte bei Rente, Gesundheit und Steuern. Erinnerungen an vermeintlich bessere Zeiten erwachen bei diesen Retro-Shows und wecken - meist positive - Emotionen.
Amüsant ist die Zeitreise vor allem, wenn das damalige Selbstverständnis der Geschlechter zu Tage tritt. In einem 50er-Jahre-Spot für Damen-Dessous etwa stolpert ein verschämter Ehemann durch ein Unterwäschegeschäft. "Kann ich Ihnen helfen?", wird der sichtlich desorientierte Mann von einer Verkäuferin gefragt. "Ja, nein, vielleicht doch", stammelt er erst zwischen Slips und BHs. Doch wenig später preist er ohne Scheu die Vorzüge des Höschens "Compresa-Charmeuse", denn es "reibt nicht auf der Haut".
Was war bloß in "Frauengold" drin?
Die Darstellung der Frau in den frühen 60er Jahren beleuchtet ein anderes Produkt: "Frauengold", ein Tonikum "für die besonderen Tage der Frau". Dessen Werbespot zeigt eine tobende Sekretärin, die sich über ihren Chef ereifert. Eine Kollegin rät ihr zu einem Schluck "Frauengold": "Da kann man über den Dingen stehen und objektiver urteilen", erklärt eine Männerstimme die mysteriöse Wirkung des Safts. Wenig später ist die Sekretärin zu sehen, wie sie sich, jetzt wohlgelaunt, beim Chef entschuldigt. Die Botschaft: "Frauengold macht dich glücklich." (dpa)