ANALYSE Konjunkturbelebung würde Dax beflügeln

Nach beinahe zweijähriger Talfahrt trauen Börsenexperten dem deutschen Aktienmarkt im kommenden Jahr erstmals wieder eine nachhaltige Erholung zu.

Voraussetzung für eine positive Entwicklung des Deutschen Aktienindex (Dax) ist jedoch nach einhelliger Meinung eine Erholung der Konjunktur und damit eine Verbesserung der Ertragssituation bei den Unternehmen. Sollten sich diese Erwartungen nicht erfüllen, sehen die meisten Analysten immerhin noch eine »Seitwärtsbewegung« auf dem derzeitigen Niveau. Maßgeblichen Einfluss auf die Marktentwicklung dürfte auch die anstehende Umstellung der Dax-Gewichtung auf den Streubesitz sowie ein Zufluss an Liquidität im Zuge der Rentenreform haben.

Handelsumsatz ging um 25 % zurück

Im vergangenen Jahr hat der deutsche Aktienmarkt den Anlegern wenig Anlass zur Freude gegeben. Im schlimmsten Monat September mussten Investoren, die zu Jahresbeginn auf den Dax gesetzt hatten, Kursverluste von mehr als vierzig Prozent verkraften. Obwohl der Index mittlerweile seine Tiefststände abschütteln konnte, hat er das Jahr 2001 immer noch rund zwanzig Prozent unter seinem Stand vor zwölf Monaten abgeschlossen. Mit den fallenden Aktienkursen gingen auch die Umsätze an den Handelsplätzen zurück. Die Deutsche Börse teilte jüngst mit, dass sich der gesamte Handelsumsatz im Jahr 2001 um schätzungsweise mehr als 25 Prozent auf 4,5 Billionen Euro verringerte.

Optimistischere Firmenausblicke

Die Zuwächse in den vergangenen Wochen basierten Börsianern zufolge maßgeblich auf der Hoffnung, dass die Konjunktur 2002 deutlich anziehen wird. »Die Unternehmensausblicke werden derzeit schon wieder optimistischer«, sagte Jason Forde, Fondsmanager bei Maintrust in Frankfurt. Die Chancen für einen Wirtschaftsaufschwung 2002 und damit für eine Belebung an den Märkten stehen nach Einschätzung einiger Anlysten nicht schlecht. »Langsam sollten wir die aus den bisherigen Zinssenkungen herrührenden Effekte zu spüren bekommen«, sagt Alfred Kaiser, Analyst beim Börsenmakler Nols. In den vergangenen zwölf Monaten hatte die US-Notenbank in elf Schritten die Leitzinsen um insgesamt 4,75 Prozentpunkte auf 1,75 Prozent gesenkt.

Dax-Potential bei 5.888 Zählern

Sollte der Konjunkturmotor anspringen, gehen Experten von einer erfreulichen Entwicklung des Marktes ab der zweiten Jahreshälfte aus. Nach einer Prognose von Nols-Analyst Kaiser könnte der Dax am Jahresende bei 5.888 Zählern stehen und damit im Vergleich zum aktuellen Stand um fast ein Fünftel zulegen. Klaus Kränzle von der Bremer Sparkasse erwartet den Index unter günstigen Bedingungen bei rund 6.000 Zählern, während Jens Wilhelm, Chief Investment Officer bei dem Deutschen Investment Trust (DIT) Chancen für einen Anstieg des Dax um fünf bis zehn Prozent sieht. Michael Bednar von UBS Warburg erwartet den Dax in zwölf Monaten bei rund 5.750 Punkten.

Maximal »Seitswärtsbewegung«

Immerhin dürfte es 2002 nicht nach unten gehen, sagen einige Experten. Sollte die Konjunktur weniger stark anziehen als es Marktteilnehmer bisher erwarten, ist nicht mit einem Einbruch der Kurse zu rechnen. »Das aktuelle Niveau um die Marke von 5.000 Punkten ist eine gute Basis. Sollten die Hoffnungen auf einen Wirtschaftsaufschwung nicht erfüllt werden, wird sich der Markt voraussichtlich seitwärts bewegen«, prognostiziert der Bremer Sparkassen-Analyst Klaus Kränzle. Nach Einschätzung von Fondsmanager Forde sollten sich Anleger nicht auf Sektoren konzentrieren, sondern auf einzelne Firmen, die sich von ihren Konkurrenten durch eine bessere Positionierung und Strategie unterscheiden. »Es gibt in einzelnen Branchen einen großen Konsolidierungsbedarf, da es immer noch Überkapazitäten gibt.« Aus diesem Grund wird es auch vermehrt zu Übernahmen und Fusionen kommen.

Umstellung auf Streubesitz

Deutliche Auswirkungen auf das Marktgeschehen dürfte auch die für Mitte 2002 geplante Umstellung der Gewichtung der einzelnen Werte im Dax auf den Streubesitz (Free Float) haben. Dabei wird die Marktkapitalisierung - also der Börsenwert - der Unternehmen nicht mehr wie bisher auf Basis aller, sondern nur noch der frei handelbaren Aktien berechnet. Firmen mit hohen Festbesitzanteilen werden somit ab Sommer kommenden Jahres mit einer geringeren Kapitalisierung im Dax berücksichtigt. »Bestimmte Aktien werden da unter Druck kommen, wenn sie an Gewicht verlieren werden«, prognostizierte Eicke Reneerkens, Fondsmanager bei der Union Investment. Darunter fallen seiner Einschätzung nach die Aktien der Telekom, da der Bund nach wie vor einen hohen Anteil an dem Unternehmen hält. Zu den Verlierern dürfte auch Infineon gehören, da ein Großteil der Aktien derzeit noch Siemens hält. Zu den Gewinnern dürften Siemens und Adidas zählen.

Positives durch Rentenreform

Der Aktienmarkt dürfte nach Angaben von Börsianern auch von der Rentenreform profitieren. »Die Riester-Rente wird für einen riesigen Zufluss von Geldern in die Märkte sorgen«, sagt Reneerkens. Bestimmte Produkte, die maßgeblich in Aktien investieren, haben schon die Zertifizierung vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen erhalten. »Viel Geld wird auch in Versicherungen angelegt werden, die dann wiederum in den Aktienmarkt investieren können.«