Die Altmark nordwestlich von Magdeburg: Landschaft platt bis zum Horizont, im Frühling sprießt hier Spargel, im Sommer leuchtet Raps. Und hier wird Wind geerntet. Zwischen den Dörfern Neuendorf und Kakerbeck recken sich 27 Masten mit riesigen Propellern in die Höhe. Ein Windpark, errichtet und verkauft von der Umweltkontor Renewable Energy AG, Nummer vier unter Deutschlands sechs börsennotierten Windkraftbauern. Bezahlt von Hunderten von Anlegern, die rund 31 Millionen Euro in das Projekt investiert haben. Doch das Geschäft mit der sauberen Energie geht nur für Umweltkontor auf. Den Anlegern gerät der Windkraftfonds Neuendorf/ Kakerbeck zur Luftnummer.
"Die tragende Konstruktion ist zu schwach, der Generator gerät ins Schwingen, läuft heiß, und die Anlage schaltet sich immer wieder ab", sagt Manfred Lührs. Er ist Gutachter beim Auricher Ingenieurbüro 8Punkt2 und von Umweltkontor damit beauftragt, Schäden am Windpark festzustellen. Die Reparatur, so seine Schätzung, wird pro Anlage mindestens 30.000 Euro, möglicherweise bis zu 50.000 Euro kosten. Bei insgesamt 27 Windrädern macht das über eine Million. Ein Flop, für den eigentlich der Anlagenhersteller geradestehen sollte. Mit einem "Sorglos-Paket" hatte Umweltkontor für den Fonds geworben: Zehn Jahre lang garantiere der Turbinenhersteller Frisia Windkraftanlagen Produktion GmbH eine technische Verfügbarkeit der Anlagen von 98 Prozent. Doch Frisia ist seit November 2001 insolvent.
Windpark
Anleger, die sich an einem Windpark-Fonds beteiligen wollen, sollten den Prospekt genau studieren. Sind Anlagenhersteller und Fondsbetreiber wirtschaftlich und personell verflochten - Hände weg!
Die meisten Fondsanleger ahnen vermutlich nichts von dem Desaster. "Bislang laufen die 27 Frisia-Windturbinen im Windpark Neuendorf/Kakerbeck ohne Probleme", beruhigte Umweltkontor noch im Dezember 2002 die Investoren. Doch schon zwei Jahre zuvor, am 12. Dezember 2000, war im Aktionärsbrief der Nevag Neue Energie Verbund AG, zu der Frisia gehörte, von "konstruktiven und fertigungstechnischen Problemen" bei den Frisia 850-kW-Windkraftanlagen die Rede. Genau diese Anlagen stehen in Neuendorf/Kakerbeck. Pikantes Detail: Umweltkontor war zu diesem Zeitpunkt Großaktionär der Nevag. Und Umweltkontor-Vorstand Leo Noethlichs saß im Aufsichtsrat der Nevag. "Für die Schäden haben wir rund 690.000 Euro zurückgestellt", heißt es bei Umweltkontor. Doch "zu den schon darüber liegenden Reparaturkosten muss man auch noch die Ausfallzeiten rechnen, in denen die Räder stehen", sagt Schadensgutachter Lührs. "Dann wird auch nichts verdient." Zwar wurde, so Umweltkontor, eine Maschinenbruchversicherung abgeschlossen. Was das Unternehmen jedoch verschweigt: Serienschäden sind normalerweise nicht versichert.
Ohne Hinweis auf die Schwachstellen wurden von Umweltkontor munter Anleger für den Fonds geworben, die letzten Investoren, die bis zu 310.000 Euro zahlten, ließ man im Januar 2001 ins Handelsregister eintragen. Umweltkontor war nicht nur Prospektherausgeber für den Windkraftfonds, sondern vertrieb diesen auch und verdiente allein am fälligen Aufgeld 425.000 Euro.
Garantie
Fragen Sie den Fondsanbieter, was im Falle einer Insolvenz des Anlagenherstellers passiert. Ändert sich die Garantieleistung? Vertrauen Sie nicht einfach auf "Sorglos-Pakete".
Die Jagd auf das schnelle Geld könnte sich nun rächen. "Wenn Umweltkontor Anleger geworben hat, ohne sie über bereits vorhandene technische Probleme aufzuklären, könnte das den Verdacht des Anlagebetrugs begründen", sagt der Wiesbadener Rechtsanwalt Klaus Wagner, Spezialist für Kapitalanlagerecht. Um-weltkontor war zudem Lieferant des Windparks und sahnte auch hier bei den Anlegern kräftig ab. Windpark-Planung und Anlagen kaufte man bei den Nevag-Töchtern EnerSys und Frisia und zahlte dafür seinerzeit 54,4 Millionen Mark (27,8 Millionen Euro). An den Fonds wurde der Park für 61,1 Millionen Mark weiter veräußert - ein satter Aufschlag von 6,7 Millionen Mark (3,4 Millionen Euro). Geld, von dem die Umweltkontor-Aktionäre zulasten der Fondsanleger profitierten. Allen voran die Großaktionäre Leo Noethlichs und Heinrich Lohmann, die als Umweltkontor-Vorstände 54 Prozent aller Aktien halten.
Auch personell sicherte man sich rechtzeitig ab. Geschäftsführerin der Fondsgesellschaft Neuendorf/Kakerbeck ist Margot Noethlichs. Sie müsste nun nach der Frisia-Pleite die Garantieansprüche der Anleger durchsetzen - gegenüber Umweltkontor und damit gegenüber ihrem Ehemann Leo. "Hier gibt es eine massive Interessenskollision", sagt Rechtsanwalt Wagner. "Eine solche Fondskonstruktion, wo ein Unternehmen jeden Hebel bedient, habe ich noch nicht gesehen."
Turbinen
Ziehen Sie Erkundigungen über den Hersteller der Windräder ein. Ist er schon lange mit bewährten Produkten im Geschäft? Sind die Anlagen, auf die der Fonds setzt, erprobt? Handelt es sich um einen neuen Typ, steigt das Risiko für den Fonds.
Die Konsequenz lässt sich schon erkennen: Umweltkontor will bei der Garantie nur noch für sechs Monate geradestehen. Im Fondsprospekt war davon keine Rede. "Nachdem Umweltkontor an allen Stellschrauben des Fonds klotzig verdient hat, schleichen sich die Verantwortlichen aus der Verantwortung und Haftung", sagt Alexander Krueger, Geschäftsführer der Antana Vermögensverwaltung in Wiesbaden. Da Krueger bis 2001 im Vorstand der Nevag-Tochter Nevest AG war, sind ihm die Hintergründe des Geschäftsgebarens von Umweltkontor wohl bekannt.
Schon jetzt können die Anleger, wenn sie in der Internet-Datenbank von Umweltkontor recherchieren, beim Windpark Neuendorf/Kakerbeck die Flaute sehen. Die Erträge aus den Luftgeschäften liegen im Jahr 2001 um knapp 16 Prozent, im Jahr 2002 um gut 25 Prozent hinter dem Plan. Einnahmeverlust: rund 1,6 Millionen Euro. Auffallen würde den Anlegern auch, dass in den Monaten September bis November 2002 mehr als die Hälfte der 27 Anlagen exakt den gleichen Windertrag erzielt haben. Fachleute halten diese Zahlen für "unmöglich".
Frisia
Auch Windkraft-Anleger, die nicht in Neuendorf/Kakerbeck investiert haben, sollten sich erkundigen, welche Räder sich in ihrem Fonds drehen. Frisia hat in Deutschland sechs weitere Windparks mit Anlagen bestückt.
Umweltkontor bestreitet in einem Schreiben gegenüber dem stern die Probleme mit dem Windpark. "Unsere Kunden sind sowohl mit unserem Service als auch mit den bislang erzielten Ergebnissen sehr zufrieden." Und: "Selbstverständlich haben wir im Prospekt ausführlich auf die Chancen und Risiken dieser unternehmerischen Beteiligung hingewiesen." Dazu Windkraft-Experte Krueger: "Die Anleger hätten also wissen müssen, welche Risiken auf sie zukommen. Wenn seriöse Analysten dies lesen, wissen sie, was Sache ist."