"Ich musste 500 Hektar Land verkaufen, um die Vermögenssteuer zu bezahlen", klagte der 78-jährige René kürzlich, der zusammen mit seiner Ehefrau Jacqueline gerade mal 600 Euro Rente im Monat bezieht. Dieser und ähnliche Berichte über unglückliche Landwirte auf der Ferieninsel Ré haben in Frankreich für Empörung über die Vermögenssteuer gesorgt. Der Immobilienboom der letzten Jahre hat die bescheiden lebenden Landwirte zu Millionären gemacht - allerdings nur theoretisch. Ihr Häuschen mit Garten mitten im Hauptort Saint-Martin und ihr Ackerland sind mittlerweile sehr wertvoll geworden, doch ihre Taschen sind leer. Vor 30 Jahren kostete ein Quadratmeter Bauland auf der lieblichen Insel, auf der auch Ex-Premierminister Lionel Jospin ein Wochenendhaus besitzt, noch 12 Euro. Seit 1988 eine Straßenbrücke die Insel mit La Rochelle verbindet, ist dort kaum mehr etwas unter 500 Euro zu haben.
"Die ungerechteste Steuer, die es gibt"
Beim Eintreiben von Abgaben ist der französische Fiskus ebenso unerbittlich wie der deutsche - wer die Vermögenssteuer nicht zahlen kann, muss eben etwas verkaufen. Derartige Szenarien sind aber auch in Paris möglich. Ein mittlerer Angestellter mit Eigentumswohnung, der dazu noch eine Wohnung von seinen Eltern erbt, gerät in der französischen Hauptstadt sehr schnell in die Kategorie der Vermögenssteuerpflichtigen. "Das ist die ungerechteste Steuer, die es gibt", sagt die frühere Stewardess Monique S., die mit den Mieteinkünften ihrer ererbten Wohnung ihre schmale Rente aufbessert. "Jedes Jahr muss ich über 6000 Euro Vermögenssteuer zahlen".
Eine Reform dieser Vermögenssteuer, die heute mehr als 300 000 Haushalte mit Einkünften und Besitz im Wert von mehr als 732 000 Euro trifft, wird in Frankreich mit gemischten Gefühlen gesehen. Der konservative Präsident Jacques Chirac zögert, dieses heiße Eisen anzurühren. Er glaubt, dass dieses Thema zu seiner Niederlage bei den Präsidentenwahlen 1988 gegen den Sozialisten Francois Mitterand beigetragen hat, weil ein Jahr vorher die Vermögenssteuer gestrichen worden war. In Deutschland gibt es keine Vermögenssteuer mehr, seit sie 1997 nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts abgeschafft wurde.
Neuer Fluchtpunkt: Belgien
Die bisherigen Reform-Vorschläge in Frankreich sind nicht besonders einfallsreich. Die Bemessungsgrenze könnte auf 800.000 Euro heraufgesetzt werden, hieß es im Parlament. Ein anderer, wirkungsvollerer Vorschlag, die Vermögenssteuer in bestimmten Fällen nur beim Verkauf von Immobilienbesitz einzufordern, verschwand rasch aus der Diskussion. Dabei bringt diese Steuer dem Staat im Jahr 2004 gerade mal 2,6 Milliarden Euro, weniger als ein Prozent aller Steuereinnahmen. Den Betroffenen, die mindestens 0,55 Prozent ihres Vermögens entrichten müssen, kostet die Steuer pro Jahr mindestens 4000 Euro.
Es trifft diejenigen, die an ihrem Besitz hängen. Die mobilen Reichen - Stars, Sportler und Unternehmer - haben schon längst das Weite gesucht, wobei in letzter Zeit die Welle auch mittlere Unternehmer erreicht hat. Mit Abstand beliebtestes Steuer-Ausland ist Belgien, wo als weiterer Vorteil die Sprache hinzukommt. Belgien verzichtet auf Vermögenssteuer, auf die Versteuerung von Aktiengewinnen und bei Schenkungen sind die Abgaben erfreulich niedrig. Nach Schätzungen der Zeitschrift "Le Point" verlagern pro Jahr 350 gutbetuchte Franzosen ihren Hauptwohnsitz ins steuerfreundlichere Ausland.