Reaktionen US-Wahlkampf lässt Märkte derzeit noch kalt

Im November stehen in den USA wieder Präsidentschaftswahlen an. Doch an den Märkten, die ansonsten die Entwicklung der US-Wirtschaft penibel nachzeichnen, sieht man dem Votum der Wähler gelassen entgegen.

Denn wer auch immer das Rennen macht, er wird nach Einschätzung von Analysten in wirtschaftlicher Hinsicht einen recht begrenzten Handelsspielraum haben. Dies gelte wegen der republikanischen Mehrheit in beiden Kammern des US-Kongresses mehr für den Demokraten John Kerry als für den republikanischen Amtsinhaber George W. Bush.

Dollar könnte von Kerry-Sieg profitieren

Das größte Interesse scheint noch der Devisenhandel der Wahl entgegen zu bringen. "Vor allem ausländische Devisenhändler neigen dazu, sich von einem Präsidenten Kerry sehr viel Gutes zu versprechen", erklärt ein Volkswirt bei einer deutschen Großbank. Dabei setzten die Händler vor allem auf einen psychologischen Bonus für Kerry, der sich in diesen Tagen in Boston offiziell zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten krönen lässt. "Bush ist für die meisten - vor allem außerhalb der USA - ein Synonym für alle politischen und wirtschaftlichen Probleme der USA", fasst ein Händler die Stimmung zusammen.

Zumindest kurzfristig könnte ein Sieg Kerrys somit den Dollar stützen, erwartet auch Folker Hellmeyer, Volkswirt bei der Bremer Landesbank. Mit Blick auf die Außenpolitik der USA und das Ansehen der einzigen Supermacht nicht nur in Europa, sondern auch im kapitalstarken Nahen und Fernen Osten, erwarten auch Händler anderer Banken für diesen Fall eine allerdings befristete Dollar-Hausse. Umgekehrt wird aber nicht mit einem Euro-Höhenflug gerechnet, sollten die Wähler Bush grünes Licht für vier weitere Jahre geben. "Bush kennt man schließlich ja schon, und so viel könnte auch ein Präsident Kerry an den strukturellen Problemen nicht ändern", erläutert ein Händler.

Hohen Deifizite nicht schnell zu ändern

"Die Psychologie kann die Kapitalströme nur kurzfristig ändern", warnt Hellmeyer. Die hohen Defizite der USA in der Leistungs- und Haushaltsbilanz ließen sich nicht "kurzfristig reparieren". Um den Fehlbetrag in der Leistungsbilanz auszugleichen, müssen die USA Kapital importieren - deshalb halten Händler das Image der Weltmacht beispielsweise bei arabischen Investoren für wichtig. Um den Haushalt wieder glattzustellen, müssten die USA zudem ihre Ausgaben senken, was schon wegen der hohen Kosten für den Irak-Krieg und den Kampf gegen die Al-Kaida von Osama bin Laden schwierig sein dürfte.

Bush hat den Wählern die Halbierung des Staatsdefizits bis 2009 versprochen. Kerry will das Defizit ebenfalls zurückführen und dazu beispielsweise Bushs Steuererleichterungen für Besserverdienende rückgängig machen. Unter der Präsidentschaft des Demokraten Bill Clinton von 1993 bis 2001 hatten die USA im Staatshaushalt zeitweise sogar einen Überschuss ausgewiesen.

Rentenmarkt fürchtet staatlichen Schulden-Appetit

Am Rentenmarkt, der schließlich über die Staatsanleihen den großen Appetit eines Staates auf mehr Kapital stillen muss, sind viele Analysten angesichts dieser Probleme eher pessimistisch. "Je mehr Sorgen man sich am Rentenmarkt über die Staatsverschuldung macht, desto höher müssen die Zinsen steigen", erklärt Patrick Franke vom Economic Research der Commerzbank. Einige Investoren am Rentenmarkt fürchteten daher eine Wiederwahl Bushs, erläutern Analysten bei einer anderen Bank. Denn schließlich sei dessen Fiskalpolitik in den letzten vier Jahren durchaus aggressiv gewesen.

Am Aktienmarkt kann man unterdessen mit der US-Wahl noch kaum etwas anfangen. Einige Händler klagen, dass davon vor allem Unsicherheit ausgehe, was generell schlecht für die Börse ist. Andere haben sich schlicht noch keine Meinung gebildet. "Die Wahlen sind an den Märkten zwar ein Thema, aber kaum einer handelt darauf", bringt Volker Borghoff, Aktienstratege bei HSBC Trinkaus & Burkhardt, die Stimmung auf den Punkt. Marktanalyst Giuseppe-Guido Amato vom Brokerhaus Lang & Schwarz stimmt dem zu: "Es ist noch nicht entschieden, wie man sich mit Blick auf die Wahl positionieren soll."

DPA · Reuters
Andrea Lentz, Reuters