Schuldneratlas 2011 Jeder Zehnte kann seine Schulden nicht bezahlen

  • von Peter Neitzsch
Der Schuldneratlas für Deutschland zeigt: Fast jeder zehnte Deutsche ist überschuldet, viele können sich aus eigener Kraft nicht helfen, und die Betroffenen werden immer jünger.

Der Schuldneratlas der Creditreform, der am Donnerstag vorgestellt wurde, beginnt mit einer guten Nachricht: Dank guter Konjunktur und sinkender Arbeitslosigkeit sind 2011 weniger Menschen überschuldet als noch vor einem Jahr.

Nun die schlechte Nachricht: Ins Gewicht fällt der Rückgang um 80.000 Personen kaum. Nach wie vor ist beinahe jeder zehnte Deutsche überschuldet. 6,41 Millionen Menschen waren 2011 in der misslichen Lage, ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen zu können. Sie "weisen nachhaltige Zahlungsstörungen auf" - sagen die Finanzexperten von der Creditreform. Sie sind pleite, würde der Laie sagen.

Von Überschuldung ist die Rede, wenn ein Schuldner seinen Zahlungsverpflichtungen auch in absehbarer Zeit nicht nachkommen kann und ihm auch keine anderen Kreditmöglichkeiten mehr zur Verfügung stehen. Davon sind 9,38 Prozent aller erwachsenen Deutschen betroffen - 2010 waren es 9,5 Prozent. Kein Grund zur Entwarnung also.

Immer mehr sitzen dauerhaft in der Schuldenfalle

Im Gegenteil: "Der Trend einer zunehmenden strukturellen Überschuldung hat sich 2011 fortgesetzt", heißt es im Schuldenatlas. Entspannt hätte sich die Lage nur bei Personen, bei denen die "Überschuldungssituation noch nicht aussichtslos ist". Für die große Mehrheit (58 Prozent) der Überschuldeten gilt das nicht. Hier habe sich eine "konjunkturunabhängige Sockelüberschuldung" herausgebildet. Das bedeutet: Auch wenn es wirtschaftlich mal besser läuft, eine Chance auf Rückzahlung der angehäuften Schulden besteht nicht

"Viele warten, bis ihnen die Schulden über den Kopf wachsen", sagt RTL-Schuldnerberater Peter Zwegat im Interview mit stern.de. "Erst wird noch versucht, sich selbst zu helfen, doch irgendwann stellen die Menschen alles ein. Bis schließlich der Strom abgedreht werden soll." Zwegat zufolge gibt es drei große Ursachen für Überschuldung: Arbeitslosigkeit, Krankheit und die Trennung vom Lebenspartner. Hinzu komme der Konsum: "Es ist oft zu einfach, an einen Kredit zu kommen: Da reicht schon ein Handyvertrag mit vereinbarter Ratenzahlung", sagt der Schuldnerberater.

Immer mehr junge Erwachsene überschulden sich

Das Konsumverhalten spielt vor allem bei der Überschuldung junger Erwachsenen eine große Rolle. "Da ist die Bereitschaft viel größer, der Verführung durch die Werbung nachzugeben", sagt Zwegat. Die Folge: Überschuldete werden immer jünger. Mittlerweile ist mehr als ein Viertel der Betroffenen jünger als 30. In der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen ist die Schuldnerquote auf 11,35 Prozent gestiegen. "Viele der Betroffenen dürften ihr Leben lang unter der frühen Überschuldung leiden", sagen die Creditreform-Experten.

Vor allem in den Großstädten übernehmen sich viele finanziell: Deutschlands Schuldenhauptstadt ist seit Jahren Bremen mit einer Schuldnerquote von 13,48 Prozent, gefolgt von Berlin und Sachsen-Anhalt. Am besten stehen Bayern (6,88 Prozent), Baden-Württemberg und Sachsen da. Der Vergleich der Bundesländer weist außerdem ein deutliches Nord-Süd-Gefälle auf, wie die stern.de-Grafik zum Schuldneratlas zeigt.

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Von Peter Neitzsch