Auf Moskaus unzähligen Baustellen rattern die Presslufthämmer Tag und Nacht. Nirgendwo in Europa wird derzeit so viel gebaut wie in der russischen Hauptstadt mit ihren mehr als elf Millionen Einwohnern. Baufirmen reißen ganze Straßenzüge ab, um sie anschließend neu aus dem Boden zu stampfen. Durch das Zentrum schwingt die Abrissbirne, nur der Kreml bleibt verschont.
Riesige Umwandlung der Stadtfläche
Moskaus neuer Generalbauplan sieht vor, dass 40 Prozent der Stadtfläche bis zum Jahr 2020 umgewandelt werden. Das einstige Zentrum der Sowjetunion strebt nach Weltstadtflair. Noch fehlt es allerdings an modernen Büroflächen und Wohnungen für die wachsende Mittelklasse. Die Großprojekte sind gigantisch und verheißen Baufirmen auch in den kommenden Jahren volle Auftragsbücher.
Moskau hat Erfahrung mit radikalem Wandel: Bereits unter Stalin war 1935 ein Generalplan zur umfassenden Neugestaltung aufgestellt worden. Damals wurden die breiten Radialstraßen angelegt und sowjetische Prunkbauten im Zuckerbäckerstil hochgezogen.
Zu wenig Bürofläche
Das heutige Moskau hinkt besonders bei den modernen Büroflächen im internationalen Vergleich hinterher. Wurden in New York im Vorjahr 42 Millionen und in London 28 Millionen Quadratmeter Bürofläche vermietet, waren es in Moskau gerade mal 3 Millionen. Das soll sich ändern. Bis 2020 veranschlagt der aktuelle Stadtentwicklungsplan einen Bedarf von 25 Millionen Quadratmetern neuer Bürofläche.
Im Westen der Stadt, unweit des Regierungssitzes, bevölkern tausende Arbeiter Europas größte Baustelle. "Moscow City" heißt das hochmoderne Wolkenkratzerviertel, das hier bis 2010 aus dem Boden schießen soll. Neue Büroflächen, aber auch Hotels, Erlebnisbäder und Luxusappartements sind in Planung. Mittendrin wächst Europas größtes Gebäude heran. Der Büroturm "Föderation" soll mit Spitze 440 Meter hoch werden. Experten erwarten, dass im "Manhattan Moskaus" bis zu 100.000 Menschen leben und arbeiten werden. Moskaus Oberschicht soll in Zukunft dem immer größer werdenden Verkehrschaos über ein Netz von Hubschrauber-Startplätzen entfliehen können.
Wohnungen werden größer
Auch der Wohnungsmarkt boomt. Die Bausubstanz vieler sowjetischer Wohnkomplexe ist marode. Es besteht ein großer Nachholbedarf an Neubauwohnungen für den gestiegenen Anspruch der Mittelschicht. Statt der 10 bis 12 Quadratmeter Wohnfläche pro Person zu Sowjetzeiten sind nun 30 bis 40 Quadratmeter Standard im Wohnungsbau. Vor allem die alten "Chruschtschowki" fallen der städtischen Abrisswelle zum Opfer. Die fünfstöckigen Plattenbauten waren in den 1960er Jahren unter dem sowjetischen KP-Chef Nikita Chruschtschow errichtet worden, um das dringende Wohnraumproblem in der Nach-Stalin-Zeit zu lindern.
Der Moskauer Bauboom hat auch seine Schattenseiten. Architekten klagen über den Verlust an kulturhistorischer Bausubstanz. Selbst im historischen Stadtzentrum müssen Altbauten und Kulturdenkmäler weichen.
Teuerste Metropole der Welt
Angeheizt durch Milliardeneinnahmen aus dem Öl- und Gasexport sind die Immobilienpreise seit 2000 um das Fünffache gestiegen. Ein Quadratmeter Wohnfläche kostet selbst in den Schlafbezirken mindestens 3200 Euro. Im Preiswahn wechseln sogar Bruchbuden für Toppreise den Eigentümer. Innerhalb kürzester Zeit ist Moskau auf dem Wohnimmobilienmarkt zur teuersten Metropole der Welt aufgestiegen, noch vor London, New York und Tokio.
Die Regierung warnt seit längerem vor einer Spekulationsblase speziell im Wohnungssektor. Experten schätzen, dass derzeit bis zu 50 Prozent aller Neubauwohnungen Spekulationsobjekte sind, die größtenteils leer stehen. Hinzu kommt eine starke Monopolisierung der Branche. "Nur Bauunternehmer mit engen Kontakten zur Moskauer Stadtführung bekommen Grundstücke", beklagt ein US-Architekt, der anonym bleiben möchte. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Ehefrau von Bürgermeister Juri Luschkow, Jelena Baturina, ihr Milliarden im wesentlichen in der Baubranche verdient hat.