Die Freiburger Bürger haben den geplanten Verkauf kommunaler Wohnungen gestoppt. Bei einem Bürgerentscheid am Sonntag stimmte die große Mehrheit der Wähler gegen die Pläne der Stadt, 7900 ihrer 8900 Wohnungen zu veräußern. Weil die Gegner des geplanten Wohnungsverkaufs das gesetzlich vorgeschriebene Quorum von 25 Prozent der Wahlberechtigten erreichten, ist das Ergebnis bindend. Die Stadt kann demnach in den kommenden drei Jahren keine Wohnung verkaufen.
Oberbürgermeister: Stadt ist handlungsunfähig
Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) wollte mit dem Verkauf mindestens 510 Millionen Euro erzielen. Freiburg wäre dadurch auf einen Schlag alle Schulden losgeworden. Salomon sagte, finanziell sei die Stadt nun nicht mehr handlungsfähig. Die Einbringung des nächsten Haushaltes werde er von Ende Dezember auf Januar verschieben. Er gehe davon aus, dass die Stadt zusätzliche Schulden aufnehmen müsse. Der Gemeinderat hatte sich für den Verkauf ausgesprochen. Für den Verkauf hatten unter anderem CDU, Grüne und Freie Wähler gestimmt. Dagegen hatten SPD und FDP votiert.
Bei dem Bürgerentscheid stimmten nach Angaben des städtischen Wahlamtes 41.579 Freiburger gegen den Wohnungsverkauf, das entspricht 70,5 Prozent der Stimmen. Dafür votierten 17.419 Bürger (29,5 Prozent). Das Quorum, mit dem das Ergebnis des Bürgerentscheides bindend wird, lag bei 37.078 Stimmen. Die Beteiligung betrug den Angaben zufolge 39,9 Prozent. Zu dem Bürgerentscheid waren knapp 150.000 Wahlberechtigte aufgerufen.
Pressestimmen zum Bürgerentscheid
"Badische Zeitung" (Freiburg)
"Freiburg galt bundesweit als eine Art Dominostein -wenn er fällt, reißt er andere mit sich. Denn in akuter Finanznot befinden sich auch andere Städte. Es ist eine reizvolle Aussicht, mit dem Verkauf kommunaler Wohnungen zum Befreiungsschlag auszuholen. Seit gestern ist klar, dass man sich dabei auch eine blutige Nase holen kann. Doch wenn Dieter Salomon Recht hat, muss nun die gesamte Stadt bluten. Drei Jahre lang darf keine einzige Wohnung verkauft werden. Der Gemeinderat hat nur noch eine Wahl: knallhart zu sparen. Auch das wird wehtun."
"Südwest Presse" (Ulm)
"Die Freiburger Bürger haben ihrem Oberbürgermeister Dieter Salomon eine schallende Ohrfeige gegeben. Aus dem geplanten Verkauf des Großteils der städtischen Wohnungen wird nun vorerst nichts. Die Entscheidung gibt Salomon und den Befürwortern des Verkaufs die Möglichkeit, über so manchen Fehler der vergangenen Wochen nachzudenken. Viele Kommunalpolitiker in Freiburg haben nicht erkannt, dass städtische Wohnungen keine x-beliebige Ware darstellen. Sie sind Heimat, oft genug für sozial Schwache, Gestaltungsspielraum bei der Stadtentwicklung und ein soziales Pfand. Wenn schon eine Kommune meint, sie müsse aus finanzieller Not ihre Wohnungen veräußern, gibt es genügend Wohnungsgesellschaften, die die Interessen der Kommunen auch langfristig berücksichtigen."
"Südkurier" (Konstanz)
"Die Ablehnung des Wohnungsverkaufs wird die Bürger teuer zu stehen kommen. Denn mit dem trotzigen Nein sind die Finanzprobleme nicht gelöst. Jetzt stellt sich die Frage, bei welcher Schule oder Kultureinrichtung gespart wird oder welche Gebühren erhöht werden. Doch über solche Beschlüsse gibt es keinen Bürgerentscheid. Deshalb wählen die meisten Städte diese bequeme Variante oder machen Schulden. Freiburg hat eine Chance vertan, neue Wege einzuschlagen."