Die allein erziehende Mutter von zwei Kindern
Es gibt viele Gründe für Arbeitslosigkeit: Die einen waren als Arbeitnehmer immer engagiert, fleißig und kreativ, mussten aber trotzdem gehen, weil ihr jeweiliger Arbeitgeber sie irgendwann nicht mehr bezahlen konnte. Andere gingen freiwillig den Weg in die Arbeitslosigkeit, um sich weiter zu entwickeln und beruflich nicht auf der Stelle zu treten. Arbeitslosigkeit hat viele Gesichter - wir stellen Ihnen einige vor.
Zunächst Shoana Abry, 38. Sie lässt sich von ihrer aktuellen Arbeitslosigkeit nicht deprimieren. Sie ist fröhlich, lebensbejahend und von Natur aus ein optimistischer Mensch. Die allein erziehende Mutter von zwei Kindern (sechs und neun Jahre) mit dem lückenlosen Lebenslauf und der großen beruflichen Erfahrung als Kommunikationskauffrau entlockte der Beraterin bei der Agentur für Arbeit das spontane Urteil: "Na, bei ihrer Qualifikation hätten sie doch schon gestern wieder eingestellt werden müssen."
Doch dieses "gestern" lässt seit drei Monaten auf sich warten. Damals verlor Abry am letzten Tag der Probezeit ihre Stellung in einer Kreativagentur, bei der einen Tag zuvor ein Großkunde abgesprungen war. Seitdem schreibt Abry bis zu fünf Bewerbungen pro Woche. Keine Stellenausschreibung im Bereich Marketing und Kommunikation in Hamburg und Umgebung entgeht ihr. "Für viele Firmen scheint es noch immer problematisch zu sein, eine Mutter in Teilzeit einzustellen, obwohl ich bis zu 30 Wochenstunden arbeiten möchte", meint sie. "Dabei kann ich mich extrem gut organisieren, arbeite im Büro hochkonzentriert ohne Leerphasen und verfüge über ein hervorragendes Oma-Netzwerk, um in Stresszeiten auch länger arbeiten zu können."
Für sie und ihre beiden Kinder bedeutet die Arbeitslosigkeit einen finanziellen Verlust von rund 500 Euro im Monat. Somit mussten alle Dinge, die zum "Alltagsluxus" zählen, reduziert werden: weniger Kino, weniger Besuche in Restaurants, weniger Spielzeug "mal eben zwischendurch". Doch Abry ist überzeugt davon, wieder eine neue Tätigkeit zu finden und erweitert ihr Bewerbungsspektrum nun um Assistenzstellen. Die nötige Weiterqualifikation erhält sie derzeit durch einen von der Agentur für Arbeit geförderten Business-Englischkurs.
Über 55 wird es noch schwerer
Einen Kurs besucht Ulf Hombach (Name von der Redaktion geändert) derzeit auch. "Mittenmang" nennt sich das Angebot für Langzeitarbeitslose über 55 Jahre, die mit dieser Maßnahme noch einmal fit gemacht werden sollen für den Arbeitsmarkt. Ein Markt, in dem ältere, gut ausgebildete Mitarbeiter mit einer enormen Lebenserfahrung nicht gefragt zu sein scheinen.
Für Hombach soll "Mittenmang" ein weiterer Versuch sein, doch noch ein Einkommen aus angestellter Tätigkeit erzielen zu können anstatt vom Hartz IV-Regelsatz leben zu müssen. Eine Tätigkeit, nach der er seit fast drei Jahren sucht. Hochqualifiziert ist er, mit Auslands- und Führungserfahrung, aber leider zu alt. "Zuletzt war ich im Groß- und Außenhandel in der Lebensmittelbranche tätig. Als Stellen abgebaut werden mussten, war ich einer der ersten, die die Kündigung erhielten, weil ich erst fünf Jahre im Betrieb war", erzählt er. "Danach habe ich noch versucht, selbständig Restaurants und Hotels mit maritimen Delikatessen aus Asien zu beliefern, doch mir fehlten die finanziellen Mittel zum Bau des notwendigen Kühlhauses."
Hombachs Plan von der Selbständigkeit scheiterte an den Banken, die einem über 55-Jährigen nicht mehr den benötigten Kredit gewähren wollten. Mittlerweile hat Hombach resigniert und verlässt seine Wohnung im Hamburger Vorort Marienthal nur noch selten, weil jeder noch so kleine Ausflug Geld kostet. Ein Auto hat er schon lange nicht mehr, 100 Euro hat er noch dafür bekommen. Doch der Gesellschaft und dem Staat macht er keinen Vorwurf. "Natürlich ist es für den Einzelnen bitter mit dem Hartz-IV Regelsatz auf den Eintritt ins Rentenalter zu warten", meint er. "Doch wenn man die Gesamtsumme betrachtet, die der Staat monatlich für die Grundsicherung aufwenden muss, versteht man, warum es nicht mehr Geld geben kann."
Mit Geld von der Agentur für Arbeit erfüllte sich die Hamburgerin Stefanie Riechert (Name von der Redaktion geändert) im letzten Jahr den Traum von der Selbständigkeit und gründete ihre eigene PR- und Eventagentur. Zuvor hatte sie fast zehn Jahre als Kundenberaterin in einer renommierten PR-Agentur gearbeitet, dann aber von sich aus gekündigt. Ein bewusst gewählter Schritt in eine finanziell unsichere Zukunft zu einem Zeitpunkt, als der große Boom in der PR-Branche längst überschritten war. "Die damit verbundene Sperrzeit vor dem Bezug von Arbeitslosengeld habe ich bewusst in Kauf genommen", gibt die 35-Jährige offen zu. "Bei meinem bisherigen Arbeitgeber gab es keine weiteren Aufstiegschancen, ich wollte nicht weiterhin für das Gehalt einer Berufsanfängerin über 40 Stunden pro Woche arbeiten."
Zusammen mit der Agentur für Arbeit entwickelte sie ihren eigenen Business Plan und beantragte einen Gründungszuschuss, der auch bewilligt wurde. Rund 60 Prozent ihres Nettogehalts bekam sie für neun Monate ausgezahlt, dazu 300 weitere Euro für die private Absicherung. "Eine enge Einbindung des persönlichen Betreuers bei der Arbeitsagentur in die Planung und laufende Entwicklung hilft sehr viel", berichtet Riechert von ihren Erfahrungen. "Ich habe meine Ansprechpartnerin über jedes Gespräch mit dem Steuerberater, der Bank und der Handelskammer informiert und bin hervorragend begleitet und beraten worden."
Mittlerweile hat sie sich einen guten Namen erarbeitet. "Allerdings macht es mir das derzeitige Marktumfeld nicht einfach, meine Gewinne zu steigern", resümiert sie. "Doch mittlerweile habe ich genug Kunden, um mein früheres Gehalt durch selbständige Arbeit zu erwirtschaften."
Bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber haben im Laufe dieses Jahres drei große Kunden ihre Etats massiv zusammen gestrichen, geplante Veranstaltungen abgesagt und Produkteinführungen verschoben. "Vielleicht bin ich genau zum richtigen Zeitpunkt gegangen", mutmaßt Riechert. "Meine ehemalige Abteilung gibt es nun nicht mehr, die ersten Kolleginnen haben aus Kostengründen ihre Kündigung erhalten, andere sollen jetzt ihren Urlaub nehmen, um im Herbst wieder da zu sein, wenn die wirtschaftliche Flaute vielleicht vorbei ist."