»Ich habe mich entschieden: Ich werde vorerst hier bleiben. So schnell kann ich meinem New York doch nicht den Rücken zukehren.« Das waren meine Worte gestern. Ich habe einer Freundin nach Deutschland gemailt. Überglücklich, nun endlich eine Entscheidung getroffen zu haben. Und vollkommen davon Überzeugt, dass es für mich das Richtige ist.
Das war gestern. Heute hat sich das Bild der Welt jedoch wieder geändert. Sah der Himmel über Manhattan am gestrigen Tage weit, blau und friedlich aus, so ist er heute beängstigend. Wild ziehen ein paar vereinzelte Sturmwolken über die Wolkenkratzer.
Ich frage mich, was dort oben sonst noch alles passieren kann. In diesem tiefblauen Himmel, den ich gestern so genossen habe.
Alles hat sich verändert. In nur wenigen Stunden ist all die Angst der vergangenen Zeit zurückgekehrt.
Nein, weg war sie nicht - das wäre unmöglich - aber sie verschwand langsam. Ich habe sie in der letzten Woche nur noch selten gespürt. Doch jetzt ist sie wieder da. Sitzt mit ganzem Gewicht im Nacken und hindert mich daran, frei zu atmen. Was wird nur passieren? Wie lauten die nächsten News?
Ich bin verunsichert und verwirrt. Die Entscheidung, die mir gestern so unangreifbar richtig erschien, stelle ich heute bereits infrage. Ist es nicht doch besser, eine Zeitlang aus New York zu verschwinden? Oder würde ich dann genau das machen, was die Terroristen erreichen wollten? Meine persönliche Freiheit einschränken? Nein, das schaffen sie nicht. Ich werde hier bleiben. Ich lasse mich nicht vertreiben.
Die Ankündigungen Bin Ladens, kein Amerikaner wird das Gefühl von Sicherheit verspüren, solange die Palästinenser dieses nicht tun, haben mir Schauer den Rücken heruntergejagt. Ich kann nur zu gut verstehen, was er mit dem Gefühl der Sicherheit meinte.
Beziehungsweise mit dem Fehlen dessen. Denn genau das ist es, das einen zermürbt: Die Ungewissheit über folgende Angriffe, das warten auf Nachrichten, die Angespanntheit und das Aufschrecken bei jeder Sirene.
Der Wert dieses tiefen Grundvertrauens - in Sicherheit zu leben - ist mir erst jetzt bewusst geworden.
