Japan Feldarbeit statt Firmenkarriere

In Japan kehrt eine wachsende Zahl junger Leute dem traditionellen Berufspfad den Rücken: Statt gleich nach der Ausbildung in eine Firme einzutreten - und dort die restliche Jobkarriere zu verbringen, entdecken sie das Job-Hoppen.

Hirefumi Yasuda wollte nie so leben wie sein Vater. "Ich habe es abgelehnt, jeden Morgen im Anzug mit all den anderen Firmenangestellten in die vollen Bahnen zu steigen. Die sind doch alle völlig erschöpft", sagt der 26-jährige Japaner. Stattdessen ging er nach seinem Oberschulabschluss in die Provinz und begann, fortan als Gelegenheitsarbeiter bei Salatbauern und anderen Landwirten auszuhelfen. In den Zeiten, in denen es auf den Feldern nicht so viel zu tun gab, kehrte er wieder zu seinen Eltern nach Tokio zurück und schlug sich mit Aushilfsjobs wie in Hamburger-Restaurants durch.

"Freeter fürs Feld"

Fünf Jahre verbrachte der Japaner auf diese Weise sein Leben als "Freeter", eine Ableitung vom englischen "free" und dem deutschen "Arbeiter". So wird in der zweitgrößten Wirtschaftsnation der Welt eine wachsende Zahl junger Leute genannt, die vom traditionellen Berufspfad abkommen, indem sie nicht dem alten Ideal einer lebenslangen Beschäftigung folgen und nach der Schul- oder Hochschulausbildung direkt in eine Firma eintreten, sondern von einer Teilzeitbeschäftigung zur anderen springen. "Ich wollte etwas machen, was ich noch nie gemacht habe. Ich habe die Landwirtschaft nur mal so ausprobiert. Aber sie hat mir sehr gut gefallen", schildert Yasuda.

Das freut nicht nur die Bauern, sondern auch die Regierung. Angesichts der Überalterung der Gesellschaft mangele es dem Agrarsektor an jungen Nachwuchskräften, erklärt Kenichi Tanaka vom Landwirtschaftministerium in Tokio. Ziel einer neuen Regierungskampagne sei es denn auch, in den kommenden Jahren 12.000 neue junge Arbeitskräfte pro Jahr für eine Beschäftigung in der Landwirtschaft zu gewinnen. Doch sei es bisher äußerst schwierig gewesen, dieses Ziel zu erreichen, zumal es in Japan immer weniger Kinder gebe, erklärt Tanaka. Andererseits gebe es gut zwei Millionen "Freeter" und etwa 640.000 so genannte NEETs (not in education, employment or training) - junge Menschen, die sich weder um eine geregelte Beschäftigung bemühen noch sich weiterbilden.

Zwei Fliegen mit eienr Klappe schlagen

Indem die Regierung nun versucht, diese jungen Menschen für eine Beschäftigung in der unter Arbeitskräftemangel leidenden Landwirtschaft zu gewinnen, versucht sie gewissermaßen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Schließlich sehen Regierungsbeamte, Pädagogen und Medien des Landes in der zunehmenden Zahl von "Freetern" und "NEETs" ein "bedrohliches Problem". Experten warnen, die wachsende Zahl solcher jungen Leute drohe wegen fehlender Fortbildung Japans internationale Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen. Zudem könne der Zuwachs niedrig bezahlter Jobs den Trend unter Japanern beschleunigen, erst später zu heiraten oder ganz Single zu bleiben, was den Rückgang der Geburtenrate forcieren könne.

Einer jüngsten Erhebung der Toyo Universität in Tokio unter rund 2800 Studienanfängern und 1500 Eltern zufolge finden es 40 Prozent der Studenten für akzeptabel, "Freeter" zu werden, "wenn dies nötig ist, um Träume zu realisieren". Dagegen wollen 47 Prozent der Eltern unter keinen Umständen, dass ihre Kinder von Teilzeitjobs leben. Dabei gebe es unter "Freetern" durchaus Leute, die eigentlich gerne als Festangestellte arbeiten wollen, sagt Yasuda. Doch zum einen hafte "Freetern" ein schlechtes Image an, zum anderen hätten junge Leute angesichts des vermehrten Übergangs zu Teilzeitarbeitsplätzen heute oft schlechtere Chancen in Firmen, fest angestellt zu werden.

Lust aufs Arbeiten erst entwicklen

Zugleich gibt es inzwischen aber auch Berichte über Unternehmen, die angesichts der Wiedererstarkung der Wirtschaft unter einem Mangel an Arbeitskräften leiden und bereit sind, sogar "NEETs" aufzunehmen. Yasuda hat inzwischen einen regulären Arbeitsplatz bei einer gemeinnützigen Organisation in Tokio gefunden, die sich um "Freeter", "NEETs" und so genannte Hikikomori kümmert - Menschen, die sich weigern, ihr Elternhaus zu verlassen und sich aus dem Familienleben und der Gesellschaft zurückziehen. Die Organisation bietet jungen Leuten die Gelegenheit, unter anderem durch Arbeitserfahrung in der Landwirtschaft überhaupt erst eine Lust aufs Arbeiten zu entwickeln.

Es gebe viele jungen Menschen in Tokio, die sich für die Landwirtschaft interessierten, sagt Yasuda. Auch er selbst hat sich vorgenommen, das Leben in der hektischen Millionen-Metropole gegen ein Leben als Bauer auf dem Land zu tauschen. Es sei viel schöner, auf Erde statt auf Asphalt zu gehen und er fühle sich entspannt und "gereinigt", wenn er auf dem Feld arbeite, sagt Yasuda und lächelt.

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Lars Nicolaysen/DPA

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