Der Däne Erik Jensen kann über die Debatte um längere Arbeitszeiten in Deutschland nach seinen Erfahrungen vor Ort nur lachen. «Bei den Deutschen wagt schon jetzt aus Angst vorm Chef und den Kollegen keiner, vor halb sieben nach Hause zu gehen, auch wenn nichts zu tun ist,» sagt der Computerexperte, der für ein dänisches Unternehmen längere Zeit in Süddeutschland gearbeitet hatte. Daheim in Kopenhagen hat der Vater von vier Kindern keine Hemmungen, den Heimweg auch um halb vier anzutreten, wenn die Arbeit getan ist.
"Kein Fragezeichen hinter der Gesamtarbeitszeit"
"Bei uns setzen die Unternehmer kein Fragezeichen hinter die Gesamtarbeitszeit", meint Arbeitszeitexperte Noa Redington vom Gewerkschaftsblatt "Ugebrevet A4". Dass die Auslagerung von Arbeitsplätzen durch die Rückkehr zu längeren Arbeitszeiten vergangener Jahrzehnte verhindert werden könne, sei auch aus Sicht der Arbeitgeber eine "sehr, sehr altmodische Auffassung von Konkurrenzfähigkeit": "Wir haben in Dänemark einen breiten Konsens, dass die Verteidigung von Jobs gegen Billiglohnkonkurrenz nur über hohe betriebliche Effektivität und immer bessere Aus- und Weiterbildung zu schaffen ist."
Bei einer tariflichen Wochenarbeitszeit von 37,5 Stunden und einem Jahresurlaub von fünf bis fünfeinhalb Wochen arbeiten die meisten Industriearbeiter in Dänemark allerdings auch ein bisschen länger als ihre deutschen Kollegen. Viel stärker als dieser Unterschied aber dürfte die bei einer Arbeitslosenquote von 6,5 Prozent und gut gefüllten Staatskassen gänzlich andere Grundstimmung im Lande ins Gewicht fallen. Bei der jährlichen Umfrage in allen EU-Ländern über die Zufriedenheit der Menschen mit ihrem Leben und ihrem Land stehen die Dänen jedes Jahr souverän an der Spitze.
Wohl auch mit Blick darauf sagt der Personalchef eines dänischen Baukonzerns: "Selbst wenn Kollegen von mir in irgendeinem Unternehmen mit Gedanken an längere Arbeitszeiten spielen, würden sie das nie und nimmer laut zu sagen wagen." Im eigenen Konzern laute die Parole "extreme Flexibilität auf beiden Seiten bei konstanter Jahresarbeitszeit".
"Extrem flexible Reaktionen"
"Die optimistische Grundstimmung bei uns ist schon ganz anders als in Deutschland", meint auch Redington. Gebe es dann betrieblich die Gefahr einer sich abzeichnenden Auslagerung von Jobs, würden die Arbeitnehmer "extrem flexibel" reagieren, durchaus auch mit befristeter Arbeitszeitverlängerung. "Aber es ist auch aus Sicht der Arbeitgeber derzeit komplett undenkbar, so etwas auf breiter Ebene zu propagieren."
Fast schon mitleidig kommentierte die linksliberale Zeitung "Information" die deutsche Debatte: "Das Schlimmste ist, dass das Ganze keinen Deut hilft." Weil die Arbeit bei längeren Arbeitszeiten zwangsläufig auf weniger Arbeitnehmer verteilte werde, müsse die Arbeitslosigkeit steigen und damit die Kaufkraft der Verbraucher sinken. Das nütze den Unternehmen wenig: "Auch Arbeitgeber brauchen gut bezahlte Angestellte mit genug Freizeit zum Einkaufen, zum Anbau eines Wintergartens, für Wochenendferien, Kinobesuche und die Lektüre von Büchern."