Rückholagenturen "Wer weggeht, wird nicht vergessen"

Ob "Sachse komm zurück" oder "mv4you" - im Osten Deutschlands hat eine neue Form von Agentur Konjunktur: Rückholagenturen, die in den Westen abgewanderte Arbeitskräfte zur Rückkehr bewegen wollen.

Ob "Sachse komm zurück" oder "mv4you" - im Osten Deutschlands hat eine neue Form von Agentur Konjunktur: Rückholagenturen, die in den Westen abgewanderte Arbeitskräfte zurückholen wollen. Denn während immer mehr vor allem junge Leute in die alten Bundesländer wegziehen, wächst in ihrer Heimat der Bedarf an Fachkräften. In Sachsen und in Mecklenburg-Vorpommern gibt es bereits entsprechende Agenturen, die von Struktur und Anbieter her ganz unterschiedlich sind, aber auf das gleiche Ziel hinarbeiten.

Die Agentur "mv4you" wurde von Schwerins Arbeitsminister Helmut Holter (PDS) initiiert. Nach jüngster Bevölkerungsprognose der Landesregierung könnte die Einwohnerzahl Mecklenburg-Vorpommern bis 2020 um mindestens 250.000 auf 1,51 Millionen sinken, eine Studie warnt zudem vor einem Defizit von 120.000 Fachkräften bis 2010. Zeit zum Handeln, dachte sich Holter.

Persönliche Wünsche Abgewanderter bedienen

Die noch nicht einmal zwei Jahre alte Agentur "mv4you" setzt vor allem bei jungen, gut ausgebildeten Fachleuten an, die mangels beruflicher Perspektive weggingen. Sie hält in Zusammenarbeit mit Unternehmen, Arbeitsverwaltungen, Gewerkschaften sowie Institutionen und Verbänden per Internet Kontakt zu Rückkehrwilligen. Neben Informationen über das Land weist "my4you" auf freie Stellen hin und hilft bei der Suche nach Wohnung oder Kindergartenplatz. "Es ist ein Kommunikationsangebot, das die ganz persönlichen Wünsche abgewanderter Fachkräfte bedient", betont Holter.

Stark ausgeprägte emotionale Bindung

Laut einer Befragung der Universität Halle ist die emotionale Bindung der Abwanderer an ihre Heimat "sehr stark ausgeprägt". Über 800 Auswanderer auch in Großbritannien oder den USA nahmen den Service bisher in Anspruch. Im ersten Jahr fanden 80 Männer und Frauen durch die Agentur Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern. Auch 2003 wird "mv4you" als Instrument der Arbeitsmarktpolitik mit 140.000 Euro von der Landesregierung gefördert. "Eine politische Grundsatzentscheidung für den Fortbestand der Agentur" sei damit gefallen, betont Holter.

Selbst CDU-Opposition und Wirtschaft attestieren "mv4you" Erfolg. "Ein akzeptables Instrument, um Rückkehrwilligen eine Ansprechplattform zu bieten", sagt die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Karin Strenz. "Das Vorhaben macht durchaus Sinn", bestätigt auch der Präsident des Unternehmerverbandes Mecklenburg-Vorpommern, Rolf Paukstat. Beide fordern aber zugleich wirksame Bemühungen, die das Abwandern von vorneherein verhindern.

Ganz anders: "Sachse komm zurück"

Ganz anders ist die Geschichte der Agentur "Sachse komm zurück". Hier kam die Initiative aus der Wirtschaft, nämlich von Werner Mankel von der Industrie- und Handelskammer Dresden und Unternehmen aus der strukturschwachen Oberlausitz. Im Februar 2003 startete die Agentur mit Sitz in Neugersdorf bei Zittau, bei der inzwischen 190 mittelständische Unternehmen aus der Region mitmachen. Bisher konnten von 50 angebotenen Jobs 24 mit Rückkehrern aus dem Westen besetzt werden. Ziel ist jetzt die landesweite Einführung der Agentur.

Diese soll vor allem eine "Plattform" sein, wo die Wirtschaft Jobs anbietet, aber gleichzeitig die betreffende Region vorgestellt wird. Das reicht von der medizinischen Versorgung über das Schulangebot bis zur Kinderbetreuung und Immobilienangeboten.

"Die wollen alle zurück"

Mankel, der jetzt für Bildung zuständiger Geschäftsführer der Agentur ist, reiste sogar jungen „ausgewanderten“ Sachsen nach Hessen nach, um sich nach ihrer Rückkehrbereitschaft zu erkundigen: "Die jungen Männer wollen alle wieder zurück, wenn sie einen Job bekommen." Bei den Frauen sei dagegen der Rückkehrwunsch auch bei starkem Heimweh kaum vorhanden.

Die CDU hält es für aussichtslos

Für die regierende CDU sind solche Bemühungen kein Thema. Der Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Martin Kuhrau, bezeichnete Rückkehreragenturen gar als "Alibi-Einrichtungen, die wir nicht brauchen". Laut Wirtschaftsministerium gibt es keinerlei Aktivitäten hinsichtlich eines Rückkehrerportals. Stattdessen verweist Wirtschaftsminister Martin Gillo auf die fehlenden Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt, die für die Abwanderung verantwortlich seien: "Wenn wir nicht für mehr Arbeitsplätze sorgen, wird der Trend weitergehen."

"Wer weggeht, wird nicht vergessen"

Auch in Schwerin weiß man um dieses Problem: "Unser Land wird niemanden am Wandern hindern können, solange die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Mecklenburg-Vorpommern nicht jedem einen angemessenen Ausbildungs- und Arbeitsplatz ermöglichen", sagt "mv4you"-Teamleiter Volker Jennerjahn. Derartige Bedingungen seien gegenwärtig noch nicht gegeben. Bis sich das geändert hat, soll die Agentur den Kontakt zu den Abgewanderten halten und deutlich machen: "Wer weggeht, wird nicht vergessen".

AP · DPA
Lutz Jordan und Frank Ellmers, AP

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