Die Schriftsteller Henning Mankell, John Irving oder Patricia Highsmith haben in Deutschland ein Millionenpublikum. Doch nur wenige kennen zum Beispiel Wolfgang Butt, Irene Rumler oder Matthias Jendis. Dabei sind es Übersetzer wie sie, die den Lesern die fremde Sprachwelt erst zugänglich machen. Jedes zweite belletristische Buch in Deutschland ist eine Übersetzung. Ohne Übersetzer gäbe es keine Weltliteratur. Vor 50 Jahren haben sich die professionellen Literaturübersetzer im "Verband deutschsprachiger Übersetzer" (VdÜ) zusammengefunden.
Auf ihrer Jahrestagung vom 9. bis zum 12. September in der Lessingstadt Wolfenbüttel feiern die Übersetzer den Geburtstag ihres Verbands. "Der VdÜ möchte die Honorarsituation der Übersetzer verbessern, Fortbildungen organisieren und den Beruf in der Öffentlichkeit sichtbar machen", fasst Vorstandsmitglied Gerlinde Schermer-Rauwolf die Verbandsziele zusammen. Am 23. April 1954 gründete ein Kreis von sieben Übersetzern um den Schriftsteller Rolf Italiaander in Hamburg den "Verband deutscher Übersetzer". 1969 schloss sich der VdÜ der damaligen IG Druck und Papier, heute ver.di, an.
Viele Übersetzer leben auf einem sehr studentischen Niveau
Ein Problem zieht sich wie ein roter Faden durch jede Übersetzer-Biografie: die schlechte Bezahlung. "Unsere Honorare stagnieren seit rund 30 Jahren", berichtet Schermer-Rauwolf, die selbst Belletristik, Kunstbücher und politische Sachbücher übersetzt. Ein Übersetzer muss derzeit von rund 1.000 Euro im Monat leben. "Viele arbeiten deshalb noch nebenher oder bis zu 70 Stunden die Woche. Manche leben einfach auf einem sehr studentischen Niveau weiter", sagt die Münchner Übersetzerin.
Übersetzer treten nach Ansicht von Schermer-Raufwolf immer noch zu bescheiden auf: Man verschwinde hinter dem Autor, werde kaum wahrgenommen und traue sich nicht, für bessere Bezahlung einzutreten. Dabei sei Übersetzen eine schöpferische Tätigkeit genauso wie das Schreiben selbst. "Durch den Verband im Rücken sind wir selbstbewusster geworden", sagt Schermer-Rauwolf. "Wir sind wer." Rund die Hälfte der mehr als 2.000 Literaturübersetzer in Deutschland ist im VdÜ organisiert. Zunehmend fordern Übersetzer ihr Recht ein. So haben sie sich aktiv für die im Januar 2002 verabschiedete Reform des Urhebervertragsrechts eingesetzt.
Die allgemeine Wirtschaftsflaute verschlechtert die Situation zusätzlich
In den Verlagen stößt die Forderung nach mehr Geld jedoch auch mehr als drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes auf taube Ohren. Nachdem im Herbst 2003 Honorar-Verhandlungen mit Verlegerverbänden nach drei Runden gescheitert waren, hat der VdÜ beim Kammergericht Berlin ein richterliches Schlichtungsverfahren beantragt. "Zurzeit laufen vermittelnde Gespräche im Bundesjustizministerium", sagt Gerlinde Schermer-Rauwolf. "In der Hoffnung, dass uns diese Gespräche weiterbringen, ruht das Schlichtungsverfahren vorerst."
Die allgemeine Wirtschaftsflaute verschlechtert die Situation zusätzlich. Die Verlage kaufen immer weniger Lizenzen aus dem Ausland, weil auch ihnen das Geld fehlt. "In der Verlagsbranche ist außerdem eine immer größere Profitorientierung zu beobachten", findet Mona Wodsak, die an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf den Studiengang Literaturübersetzen betreut. "Nur noch Bücher, die eine große Leserschaft versprechen, werden heute überhaupt verlegt."
Ein harter und anspruchsvoller Beruf
Seit 1988 können junge Menschen in Düsseldorf das professionelle Übersetzen in den Sprachen Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch lernen, rund 200 Studenten seien derzeit eingeschrieben. Der Düsseldorfer Studiengang ist laut Mona Wodsak der einzige Vollstudiengang in Deutschland. "Auch diese Professionalisierung des Berufsbilds trägt dazu bei, dass Übersetzer in der Öffentlichkeit sichtbar werden", sagt Gerlinde Schermer-Rauwolf.
Uni-Dozentin Wodsak macht ihren Studenten keine Illusionen: "Wer Übersetzer werden möchte, muss das wirklich wollen. Das ist ein harter und anspruchsvoller Beruf." Ob Übersetzer in Zukunft mehr Anerkennung bekommen, scheint jedoch zumindest fraglich: Der Studiengang Übersetzen an der FH München wurde zum Sommersemester 2004 geschlossen - die Fachhochschule hat dafür kein Geld mehr.
Annette Zoch/DPA