Gefeiertes Pilotprojekt Vier-Tage-Woche bei vollem Gehalt: Bei diesen Firmen ging das Experiment in die Hose

Die Vier-Tage-Woche funktioniert nicht bei jedem Unternehmen (Symbolbild)
Die Vier-Tage-Woche funktioniert nicht bei jedem Unternehmen (Symbolbild)
© Getty Images
Britische Unternehmen erzielten mit einem Pilotprojekt zur Vier-Tage-Woche erstaunlich gute Ergebnisse. Doch nicht überall funktionierte der Traum vom dreitägigen Wochenende.

Es war ein spektakulärer Erfolg, den Forschende des Projekts "4 Day Week Global" im Februar präsentierten. Ein halbes Jahr lang hatten rund 60 britische Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern die Vier-Tage-Woche bei vollem Gehalt getestet. Und die Ergebnisse waren so gut, dass 56 von 61 Arbeitgebern die Vier-Tage-Woche – zumindest vorerst – beibehalten wollten.

Denn nicht nur den allermeisten Beschäftigten tat der zusätzliche freie Tag in der Woche gut, wie die Befragungen zeigten. Auch die Arbeitgeber waren mehrheitlich begeistert. Denn im Schnitt performten die an dem Projekt beteiligten Unternehmen wirtschaftlich sogar besser als zuvor, so legt es zumindest die Auswertung der beteiligten Forscher nahe (mehr zu den Ergebnissen lesen Sie hier). Die bestechende Logik dahinter: Wenn es den Mitarbeitern psychisch wie physisch besser geht, können sie in weniger Zeit mehr leisten und alle Seiten profitieren.

Warum also führen nicht alle Unternehmen umgehend die Vier-Tage-Woche ein, von der auch viele Arbeitnehmer hierzulande träumen? Das dürfte daran liegen, dass das Modell längst nicht überall funktioniert. So kann man zunächst einmal davon ausgehen, dass sich für die Teilnahme an dem britischen Pilotprojekt von vorneherein vornehmlich Firmen anmeldeten, die realistischerweise auf einen positiven Effekt hofften. Und selbst bei diesen ging der Plan teilweise gehörig in die Hose. 

Vier-Tage-Woche: Mehr Stress als Entlastung

Die BBC hat mit einigen der beteiligten Firmen gesprochen, bei denen das Projekt Vier-Tage-Woche gescheitert ist – oder zumindest ungewiss ist, ob es sich wirklich langfristig als praktikabel erweist. Da ist zum Beispiel Mark Roderick, der einen Großhandel für Baubedarf in Gloucester betreibt. 40 Leute beschäftigt seine Firma Allcap. Mit der Vier-Tage-Woche wollte Roderick eigentlich die hohe Arbeitsbelastung seiner Mitarbeiter senken.

Doch das Gegenteil passierte: Obwohl die Allcap-Mitarbeiter nur jede zweite Woche einen zusätzlichen freien Tag einschoben, war die Belegschaft mit dem Modell überfordert. "Anstelle von zehn normalen Arbeitstagen stellten wir fest, dass die Mitarbeiter neun extreme Tage hatten - sobald sie ihren geplanten freien Tag erreicht hatten, waren sie erschöpft", sagt Roderick der BBC. "Wenn wir Urlaub, Krankheit und Pflegeverpflichtungen einkalkulierten, hatten wir auch Schwierigkeiten, einen Mitarbeiter an seinem Ruhetag zu vertreten."

Das Modell sei für Allcap nicht praktikabel gewesen, um kurzfristige Deadlines zu erfüllen und immer genügend Mitarbeiter vor Ort zu haben, da viele Arbeiten sich nicht im Homeoffice erledigen ließen. An drei von fünf Standorten beendete Roderick das Vier-Tage-Experiment noch zwei Monate vor Ende des eigentlich geplanten Zeitraumes. 

Organisatorische Probleme bei Kundenkontakt

Über den Preis der Arbeitsverdichtung klagen auch andere Teilnehmer des Vier-Tage-Experiments. "Ohne einen fünften Tag, um Arbeit nachzuholen, gibt es unter der Woche generell mehr Stress, um dafür ein längeres Wochenende zu haben", sagt Laura White, Projektmanagerin der Londoner Charity-Organisation Waterwise. Ihr Unternehmen hat den Testzeitraum über die sechs Monate hinaus verlängert, um mehr Langzeit-Erkenntnisse zu erlangen.

Insbesondere für Organisationen mit Kundenkontakt, die bestimmte Öffnungs- und Sprechzeiten abdecken müssen, kann sich die Vier-Tage-Woche als herausfordernd erweisen. So berichtet Alison Dunn, Chefin der Verbraucherberatungsstelle Citizens Advice in Gateshead, sie habe erstmal drei Vollzeitkräfte zusätzlich einstellen müssen, um überhaupt mit der kompletten Belegschaft an dem Vier-Tage-Experiment teilnehmen zu können. In der Projektphase stellte sich heraus, dass bestimmte Mitarbeiter ihre komplette Arbeit sehr gut in vier Tagen erledigen konnten, und sogar überperformten.

Das Kontaktcenter-Team hingegen sei schlicht zu sehr an fest definierte Öffnungszeiten gebunden, um die Arbeit flexibel umverteilen zu können, was sich negativ bemerkbar machte. Aufgrund dieses gemischten Ergebnisses hat Dunn das Projekt zunächst bis Mai verlängert. Sollten aber letztlich nicht alle Teams Vorteile daraus ziehen, werde sie es wohl wieder abschaffen. "Wir haben 220 Mitarbeiter: Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir einigen die Vier-Tage-Woche erlauben und anderen nicht", sagt Dunn. 

Weitere Erfahrungen nötig

Auch anderen Unternehmen ist der Projektzeitraum von sechs Monaten noch zu kurz, um ein abschließendes Fazit zur Vier-Tage-Woche zu fällen. Möglich wäre ja auch, dass die Motivation der Mitarbeiter, vier Tage Vollgas zu geben, um sich einen freien Tag extra zu verdienen, mit der Zeit nachlässt. "Wir wollen schauen, wie es sich über ein ganzes Jahr anfühlt, und sicherstellen, dass die Produktivität hoch bleibt", sagt dazu Claire Daniels, Chefin der Digitalmarketingagentur Trio Media. Bisher sind sie und ihre Mitarbeiter von dem Modell aber sehr angetan.

Eine pragmatische Lösung hat Jo Burn-Russell mit ihrer Kreativagentur Amplitude gefunden. Nach dem Ende des Versuchszeitraums habe jeder mit der Vier-Tage-Woche anders umgehen wollen, berichtet sie. Daher ist das Ganze in ihrer Firma jetzt optional. "Anstatt einen freien Tag vorzuschreiben, ist es besser, die Mitarbeiter entscheiden zu lassen, was für sie am besten ist. In einem agilen Unternehmen mit einem 12-köpfigen Team funktioniert das gut." Wohl dem, dessen Job solche Flexibilität zulässt.

Quellen: BBC / 4 Day Week Global

Was eine deutsche Top-Managerin zur Vier-Tage-Woche sagt, lesen Sie hier: Telefónica-Personalchefin: "Bei der Vier-Tage-Woche bin ich skeptisch"

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos