55-Milliarden-Buchungsfehler Jeder zeigt mit dem Finger auf den anderen

Wer ist Schuld an dem grotesken Bilanzfehler von 55 Milliarden Euro bei der HRE-Bad-Bank? Niemand - so jedenfalls sehen es die Beteiligten und verweisen auf die Verantwortung der jeweils anderen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) weist eine direkte Verantwortung für den Milliardenfehler bei der Bad Bank der verstaatlichten Hypo Real Estate (HRE) zurück. Der Bundesfinanzminister stelle die Bilanzen nicht auf und segne sie nicht ab, sagte Schäubles Sprecher in Berlin. Es sei derzeit der falsche Moment zu sagen, wer den Fehler gemacht hat. "Wir nehmen diesen Vorgang sehr, sehr ernst."

Die SPD hingegen sieht die Verantwortung bei Schäuble und kritisiert, dass die Öffentlichkeit erst jetzt von der Panne erfahren habe.

Beispielloser Rechenfehler

Wie stern.de berichtet hatte, hat sich die Bad Bank der HRE einen beispiellosen Bilanzfehler über einen Gesamtbetrag von 55,5 Milliarden Euro geleistet, um den die deutsche Staatsverschuldung nun geringer ausfällt.

Am Montagnachmittag sollte es zur weiteren Aufklärung eine Telefonkonferenz geben. Sicher ist, dass am Mittwoch eine Besprechung des Ministeriums mit Verantwortlichen der Bad Bank FMS Wertmanagement, der zuständigen Wirtschaftsprüfer von PwC, der Finanzmarktstabilisierungsanstalt und der HRE stattfinden wird. Diplomatisch ausgedrückt sei der Vorgang "ärgerlich", sagte der Sprecher. "Ich gehe fest davon, dass dieser Fehler, der jetzt aufgetreten ist, sich nicht wiederholen wird."

"Schäubles Ministerium Brisanz der Fehler nicht erkannt"

Das Ministerium sei am 4. Oktober erstmals informiert worden. Öffentlich gemacht wurde der astronomisch hohe Buchungsfehler bei der Münchner Abwicklungsanstalt FMS Wertmanagement, in der die heute Pfandbriefbank heißende HRE ihre milliardenschweren Altlasten ausgelagert hat, aber erst vergangene Woche, am 28. Oktober.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte, entweder habe Schäubles Ministerium die Brisanz der Fehler nicht erkannt oder die Zahlen seien bewusst zurückgehalten worden. "Beides ist nicht zu entschuldigen", sagte Oppermann. "Selbstverständlich trägt Schäuble die volle Verantwortung." Es handele sich schließlich um eine staatliche Bank. "Es gibt niemanden anderes, der dafür verantwortlich sein könnte", sagte der SPD-Politiker.

Plus und Minus verwechselt

Schäubles Sprecher sagte, der Fehler habe keine Auswirkungen auf Neuverschuldung und Bundeshaushalt: "Wir sind leider nicht allesamt um 55 Milliarden reicher geworden". Die Summe entlaste lediglich die Passiv-Seite der FMS-Bilanz und so die der EU gemeldete Staatsschuld, weil es sich um eine Gesellschaft in Staatsbesitz handelt.

Der Bilanzfehler von 55,5 Milliarden Euro entstand, weil unter anderem steigende Kurse für Papiere und Sicherheiten für Forderungen in der Bilanz falsch verbucht worden sind. Pauschal gesagt, wurden Plus und Minus verwechselt. Bei der Ursachenforschung für den Milliardenfehler rückt auch die HRE selbst stärker in den Fokus. Denn die HRE hat für ihre Bad Bank, einen Großteil der Datenverarbeitung übernommen. Unter anderem für die Übernahme operativer Aufgaben und die IT-Unterstützung zahlte die FMS an die HRE/Pfandbriefbank im ersten Halbjahr 126 Millionen Euro.

Druck auf Beteiligte wächst

Weil die FMS Wertmanagement vor einem Jahr über 12.000 Posten - darunter 7000 Finanzderivate - von der HRE übernommen hat und diese abwickeln soll, sei rein technisch eine komplette Trennung, etwa von IT-Systemleistungen, nicht möglich gewesen, hieß es in Bankkreisen.

Aufgabe der FMS ist es zu schrumpfen, weil sie ja die von der HRE übernommenen "Giftpapiere" langfristig zu möglichst guten Konditionen wieder losschlagen soll. Der kapitale Fehler dürfte aber auch den Druck auf den staatliche Bankenrettungsfonds Soffin und seinen Chef Christopher Pleister wachsen lassen. Die Anstalt ist für die Überwachung und Kontrolle der Bad Bank zuständig.

"Ein sehr peinlicher Fehler"

Die Buchungspanne ist nach Expertenansicht vor allem ein Fehler der Buchhaltung. "Das ist ein sehr peinlicher Fehler, der nicht hätte passieren dürfen, weil es klare Bilanzierungsregeln gibt", sagte der Wirtschaftswissenschaftler Jörg Rocholl im ZDF. "Im Wesentlichen hat man dort Brutto mit Netto verwechselt". Er sehe die Verantwortung vor allem bei denjenigen, die diese Bilanz aufgestellt haben.

Die Wirtschaftsprüfer von PwC betonten aber, dass wesentliche Teile der Rechnungslegung an einen externen Dienstleister ausgelagert worden seien - eben die HRE und wiesen die Verantwortung zurück. Die Diskussion über "einen angeblichen Buchungsfehler" werde in Teilen nicht sachgerecht geführt, hieß es in einer Stellungnahme. Die ohnehin in Bedrängnis geratene HRE-Vorstandsvorsitzende Manuela Better gerät nach diesem Vorfall weiter unter Druck.

Misstrauen in Statistiken ist derzeit sehr groß

Die Buchungspanne hat nach Ansicht von Rocholl angesichts der Schuldenkrise in der EU auch Einfluss auf das internationale Vertrauen in Deutschland. "Es kommt natürlich zum ungünstigsten Zeitpunkt", sagte Rocholl. Derzeit sei das Misstrauen in Statistiken sehr groß. Die Berichtigung der Buchungspanne führt dazu, dass die deutschen Staatsschulden mit einem Schlag um 2,6 Prozentpunkte auf 81,1 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung gefallen sind.

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nik/DPA