Aldi. Schon der Name ist Programm. Er erzählt viel über den dahinter stehenden Weltmeister des billigen Verkaufens. Entstanden ist er verblüffend schlicht aus den Anfangsbuchstaben der Ladenbezeichnung: Albrecht-Discount. So einfach wie die Bezeichnung für ihre Kette stellten sich die Gründer-Brüder Karl und Theo Albrecht auch ihre Geschäfte vor. Schlicht bis spartanisch eingerichtet, nichts sollte ablenken vom einzigen Sinn der Unternehmung: dem konkurrenzlos billigen Einkauf.
So wurde Aldi schon mit der ersten 1962 in Dortmund eröffneten Filiale eine Welt für sich. Namenlose Massenware stellten die Albrechts einfach in Kartons in die Geschäfte. Verschwunden ist die nette Plausch-Atmosphäre des Tante-Emma-Ladens. Auch den Fachverkäufer, der den losen Käse abwiegt und einwickelt, gibt es nicht mehr. Bei Aldi ist alles abgepackt und bedienen müssen sich die Kunden selbst. Dafür bleibt das Warenangebot überschaubar.
Die Albrecht-Brüder
Karl und Theo sind extrem verschwiegen. Über sie persönlich ist sehr wenig bekannt, selbst Ihre Lebensdaten sind vielfach nicht bestätigt. Die beiden sind Söhne eines Bergarbeiters und gelernten Bäckers. Die Mutter betrieb einen 100 Quadratmeter großen Lebensmittelladen in einem Essener Vorort, den die Söhne 1946 übernahmen.
Heute verkauft Aldi gut 750 verschiedene Produkte, die aber gleich in rauen Mengen: Der Discounter ist ganz nebenbei einer von Deutschlands größten Textilhändlern; wenn Aldi Computer oder Laptops auf den Markt wirft, bilden sich schon frühmorgens lange Schlangen vor den Filialen.
Karl Albrecht
Karl Albrecht wurde vermutlich am 20. Februar 1920 in Essen geboren. Er absolvierte nach der Schule eine Lehre in einem Essener Feinkostgeschäft. Im Zweiten Weltkrieg wurde er an der Ostfront verwundet. Ab 1960 leitete er Aldi Süd. Mit einem geschätzten Vermögen von 17,5 Milliarden Euro ist er der reichste Deutsche und steht weltweit auf Rang 15 der "Forbes"-Liste der reichsten Menschen der Erde. Karl Albrecht ist verheiratet, hat einen Sohn und eine Tochter und lebt vermutlich in Donaueschingen. Er spielt Golf und soll Orchideen züchten.
Überall in der Republik bietet sich den Aldi-Kunden ein ähnliches Bild, wenn sie eine Zweigstelle betreten: Neonlicht bestrahlt Pressholz-Regale, die die Kartons mit Tee, Saft, Konservendosen oder Putzmitteln tragen. Mehl, Zucker, Wasser oder River-Cola werden gleich auf den Lieferpaletten in den Verkaufsraum geschoben. Inzwischen gibt es auch frisches Obst, Gemüse und Fleisch sowie Bioprodukte.
Nutoka statt Nutella, River statt Coca
Nur ganz selten verirrt sich dagegen bisher ein Produkt eines großen, bekannten Herstellers in die karge Aldi-Welt. Stattdessen heißt das Duschgel Ombra, der Nussnougat-Aufstrich Nutoka oder Nusskati, das Olivenöl La Villa und die Milch kommt von Milsani. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass sich hinter manch einem No-Name-Produkt ein bekannter Hersteller versteckt.
Theo Albrecht
Theo Albrecht kam entweder am 13. oder 28. März 1922 zur Welt, sein Geburtsort ist unbekannt. Nach der Schule lernte er im Lebensmittelgeschäft seiner Mutter. Im Zweiten Weltkrieg gehörte er einer Nachschubeinheit in Afrika an und geriet in amerikanische Gefangenschaft. Er führte ab 1960 die Geschäfte von Aldi Nord. 1971 wurde er gekidnappt und 17 Tage gefangen gehalten. Er kam gegen die Zahlung eines Lösegeldes von sieben Millionen Mark wieder frei. Die zwei Täter wurden gefasst, die Hälfte des Lösegeldes blieb verschwunden. Die Albrechts zogen sich danach völlig aus der Öffentlichkeit zurück. Theos Vermögen wird auf 17 Milliarden Euro geschätzt. Damit ist er nach seinem Bruder der zweitreichste Deutsche. In der "Forbes"-Liste rangiert er auf Platz 20 der reichsten Menschen der Welt. Theo Albrecht ist verheiratet und hat zwei Söhne, er soll unter anderem auf der Insel Föhr leben und wurde angeblich bis vor einigen Jahren immer wieder mal gesichtet, wie er eine Aldi-Filiale inspizierte.
Am Ende einer Einkaufstour warten an den Kassen dann die legendär schnellen Kassiererinnen. Inzwischen flitzen deren Finger nicht mehr über die gute alte Registrierkasse, seit knapp sieben Jahren hat auch Aldi Waren-Scanner. Bei technischen Neuerungen wartet Aldi häufig ab, welche Erfahrungen andere Unternehmen machen. Die EC-Karte zum Bezahlen etwa wird erst seit 2005 akzeptiert.
Tarifbezahlung für die flinken Verkäufer
Die neue Technik erleichtert vielleicht die Arbeit in dem Discounter ein wenig. Generell seien die Bedingungen bei Aldi aber heftig, sagt Ulrich Dalibor, Bundes-Fachgruppenleiter Einzelhandel der Gewerkschaft Verdi. "Das ist kein Zuckerschlecken. Natürlich lastet auf den Beschäftigten ein erheblicher Druck." Doch trotz der harten Arbeit blieben viele Aldi erstaunlich lange treu. Denn ganz schlecht seien die Bedingungen nicht: "Grundsätzlich finden die Tarifverträge Anwendung, auch was die Bezahlung angeht", sagt Dalibor.
Aldi weltweit
In Deutschland ist der Discounter seit 1960 in die getrennten Unternehmen Aldi Süd und Aldi Nord aufgeteilt. Die Trennungslinie ist der Fluss Ruhr, beide haben unterschiedliche Logos. Aldi gibt es inzwischen in vielen Ländern Europas, darunter Frankreich, Großbritannien, Spanien und der Schweiz. In Osteuropa weitet Aldi das Geschäft gerade stark aus. In den USA gehört Aldi die Kette Trader Joe's, in Österreich und Slowenien heißen die Tochterunternehmen Hofer.
Was unterscheidet Aldi nun eigentlich von den anderen Billigläden? Am auffälligsten ist der weitgehende Verzicht auf Etiketten bekannter Marken. Deshalb liegen die Preise von Aldi Marktforschern zufolge auch bis zu 30 Prozent unter dem Durchschnitt. Immer niedrigere Einkaufspreise und Großeinkäufe machen es möglich.
Wenige Waren, billig und viel
Das Konzept des Reduzierens auf das Allernötigste ist das Erfolgsgeheimnis der Albrecht-Brüder. Damit wurden die beiden inzwischen über achtzigjährigen Pioniere des deutschen Discounters zu Multimilliardären. Zur Ironie ihrer Geschichte gehört es, dass sie ihr Handwerk selbst in Tante-Emma-Läden lernten. Jenen Geschäften also, die sie später vom Markt fegen sollten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen beide 1946 das Lebensmittelgeschäft der Eltern im Essener Bergarbeiter-Vorort Schonebeck. Rasch bauen sie eine kleine Kette im Ruhrgebiet auf. Etwa ab 1950 entwickeln die Brüder das Aldi-Prinzip: Von nur wenigen Waren möglichst viel, so billig wie es geht verkaufen. Und immer die Kosten drücken: Der Legende nach müssen die Angestellten in den Anfangsjahren die Butter abends immer in den kühlen Keller schleppen, weil die Albrecht-Brüder zu geizig sind, Kühltruhen zu kaufen.
Die freundlichere Variante der Geschichte: Die Aldi-Brüder brauchen gar keine Kühltruhen, weil sie die Butter so billig machen, dass die Käufer sie ihnen praktisch aus den Händen reißen. Was immer auch stimmt: Beides erspart die teure Investition.
Verschwiegenheit mit System
Informationen über Aldi sind rar, eine PR- oder Presse-Abteilung gibt es nicht. Der Konzern sei "verschwiegen bis zum Exzess", urteilt die Wirtschaftswoche. "Telefonisch gibt es schon mal gar keine Auskünfte", heißt es freundlich aber bestimmt auf eine Anfrage von stern.de. "Und nennen Sie bloß nicht meinen Namen!", sagt die Frau aus einer oberen Etage eines der beiden Konzerne. Unternehmenszahlen liegen nur wenige vor und müssen wegen der Struktur aus 66 juristisch selbstständigen Regionalgesellschaften nur begrenzt veröffentlicht werden.
Unter dem neuen Namen Aldi wird dieses Prinzip endgültig zum Kassenschlager. Zehn Jahre nach der Eröffnung der ersten Filiale gibt es bereits 600 Geschäfte in 300 Städten der Bundesrepublik. Heute steht Aldi auf Platz elf der weltweit größten Einzelhandels-Unternehmen. Aldi ist ein Global Player mit mehr als 8000 Filialen in Europa, den USA und Australien, der geschätzte Gesamtumsatz beträgt 40 Milliarden Euro im Jahr.
Vom Tante-Emma-Laden zum Global Player
Regiert wird das Schnäppchen-Reich mit etwa 26.000 Beschäftigten von Aldi Süd in Mühlheim an der Ruhr und Aldi Nord in Essen. Schon 1960 hatten Karl (Süd) und Theo (Nord) ihr Handels-Imperium rechtlich, finanziell und organisatorisch getrennt. Angeblich konnten sie sich nicht einigen, ob Zigaretten ins Sortiment sollten.
Die Mehrheit an ihren Gesellschaften übertrugen beide Brüder schon früh an Familienstiftungen, in denen sie zwar noch immer die Fäden ziehen sollen. Doch langsam fällen wohl kaum mehr die Patriarchen die Entscheidungen. Der Moment für eine Neuausrichtung?
Zurzeit jedenfalls bläst auch dem Discount-Primus der Wind kräftig ins Gesicht: Lidl hat Aldi bei der Anzahl der Läden in Europa überholt, allerdings ist der Umsatzanteil bei Aldi nach wie vor größer. In dem hart umkämpften Markt versuchen sich die Ketten inzwischen gegenseitig zu verdrängen.
Mit Qualität statt Markennamen
Aldi versucht weiter mit Qualität zu punkten und verweist gern auf die guten Ergebnisse bei Untersuchungen der Stiftung Warentest. Wenn es schlechte Noten gibt, mustert Aldi den Lieferanten recht schnell ohne lange Diskussionen aus, berichten Vertragspartner des Discounters. Allerdings hatte auch Aldi in der Vergangenheit gelegentlich Pech mit einigen Produkten, was natürlich am eigenen Anspruch kratzt, verlässlich Qualität zum günstigsten Preis zu bieten.
Unklar ist, wie Aldi in Zukunft den Angriff anderer Discounter abwehren will. Mit mehr bekannten Marken wie Lidl? Dann wäre das Geschäft nicht mehr so einfach und überschaubar - bisher garantierte auch das den Aldi-Erfolg.
Angesichts steigender Preise für Strom, Benzin, Milch oder Brot ist der Trend zum Discounter-Einkauf aber längst nicht gebrochen. Das Arme-Leute-Image hat Aldi ohnehin schon lange abgelegt. Der Champagner der Kette ist auf jeden Fall gesellschaftsfähig.