Darf ein 600-Gramm-Nackensteak nur 1,99 Euro kosten? Darüber diskutieren auf der Facebookseite von Aldi Süd Kunden und Gegner des Discounters. Auslöser war der Post des Facebook-Nutzers Dominik Boisen, der das Aldi-Angebot mit drastischen Worten angeprangert hatte. "Billigster Dreck", "verantwortungslos", "zum Kotzen" waren nur einige der Formulierungen in dem Beitrag, der knapp 15.000 Mal geteilt und mehr als 3000 Mal kommentiert wurde.
Die Frage, die sich stellt, lautet: Wie schlecht müssen die Tiere behandelt werden, damit so ein Preis zustande kommt? Von den Löhnen der beteiligten Bauern, Schlachtern etc. ganz zu schweigen. Wir haben bei Aldi Süd nachgefragt.
Aldi: "Kein Lockvogelangebot"
Zunächst einmal erklärt Aldi Süd, dass sich der Einkaufspreis für Fleisch nach Angebot und Nachfrage richte und das Unternehmen über Jahrzehnte "sehr schlanke Strukturen aufgebaut" habe, die enorme Kosten sparten. Dass die schlanken Strukturen eine Lieferkette beinhalten, in der Erzeuger und Zulieferer unter Druck gesetzt werden, immer günstiger zu produzieren, ist bekannt.
Im konkreten Fall betrage der Standardpreis für das 600-Gramm-Schweinenackensteak 2,79 Euro, erklärt Aldi. "In einer Aktion haben wir diesen Artikel zeitlich begrenzt für 1,99 Euro angeboten." Um ein Lockvogelangebot handle es sich dabei nicht. "Lockvogelangebote implizieren eine bewusste Täuschung unserer Kunden und eine bewusste Minderkalkulation der Warenmenge und gehören daher selbstverständlich nicht zu unserer Unternehmenspolitik."
Aldi verweist auf "Initiative Tierwohl"
Nun zum eigentlichen Kern der Frage, der ethischen Verantwortung gegenüber den Tieren, deren Überreste hier verramscht werden. Hier verweist Aldi Süd auf sein Engagement in der "Initiative Tierwohl", die das Unternehmen 2015 initiierte. "Jedes Kilo Schweine- und Geflügelfleisch, das bei Aldi Süd verkauft wird, kommt der Initiative Tierwohl und damit dem verbesserten Tierschutz und der Landwirtschaft zu Gute", erklärt das Unternehmen. Der Zusammenschluss von verschiedenen Akteuren aus Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel führt laut Aldi pro verkauftem Kilo Schweine- und Geflügelfleisch sowie -wurst vier Cent an die Trägergesellschaft der „Initiative Tierwohl“ ab. Die teilnehmenden Landwirte erhielten davon einen definierten Betrag zur Umsetzung von Maßnahmen zur Erhöhung des Tierwohls über die gesetzlichen Standards hinaus.

Bringt das wirklich was?
Dass es den Tieren dank "Tierwohl" wirklich gut geht, wird allerdings weithin bezweifelt. Erst vor wenigen Wochen zeigte die Tierschutzorganisation Peta Schockvideos aus Schweineställen von teilnehmenden Höfen. Darin zu sehen: Zerkratzte Tiere, faustdicke Abszesse und am Boden liegende Tiere, die von ihren Artgenossen überrannt werden. "Die Initiative ist eine der größten PR-Lügen der vergangenen Jahre", sagte Thomas Schröder, Chef des Deutschen Tierschutzbundes, dem Spiegel, der über den Skandal berichtet hatte. Schröder muss es wissen, schließlich hat seine Organisation die Initiative zunächst selbst beraten, bevor sie 2016 ausstieg.
Aldi Süd betont dagegen die Vorzüge des Tierwohl-Labels - und verweist auf die damit verbundenen Standards: So würde seit Anfang des Jahres kein Schweinefleisch mehr von betäubungslos kastrierten Tieren verwendet. Bei Gänse- und Entenfleisch sei der Einsatz von Lebendrupf und Stopfmast verboten. Die Gänse dürfen außerdem baden und die Flügel sollen nicht beschnitten werden. Statt auf Käfighaltung setzt man bei Hühnern nun zumindest auf Bodenhaltung.
Die Verbraucherzentralen sehen das Label dennoch kritisch: Es fehle an Transparenz, die Werbung sei überzogen, so die Kritik. Zudem hätten Kunden keine Gewähr, dass das Fleisch tatsächlich aus teilnehmenden Betrieben stamme. Im Vergleich zu echten Bio-Labeln sind die Anforderungen viel zu gering. Das Fazit der Verbraucherschützer: "Ein kleiner Teil der deutschen Schweine- und Geflügelhalter macht ein klein wenig mehr als die gesetzlichen Vorschriften verlangen. Für Verbraucher, die Wert auf eine erheblich bessere Tierhaltung legen, ist dieses Fleisch keine Alternative."