Zwei Dinge kann man über Bahnchef Mehdorn mit Sicherheit sagen: Sein Vorname Hartmut ist fast vollständig hinter einer Amtsbezeichnung verblasst, und der Kessel dieses Top-Managers steht eigentlich immer unter Hochdruck. "Quatsch", kann es aus ihm losprusten, wenn es in einer Talkshow seiner Ansicht nach falsch läuft. "Wahnsinn" warf Mehdorn seinem Kontrahenten Manfred Schell von der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) im vergangenen Jahr in der äußerst harten Tarifauseinandersetzung vor. Für "Unsinn" hält er praktisch alle Argumente gegen die geplante Teilprivatisierung der Bahn.
170 Millionen Schaden erst der Anfang
Der Mann kann also kräftig austeilen, er schwingt oft ein schweres, scharfes Schwert in der öffentlichen Auseinandersetzung. Doch auf der heutigen Bilanz-Pressekonferenz für das vergangene Jahr zog Mehdorn allenfalls - um im Bild zu bleiben - das Florett. Mit dezent grauer Krawatte trug der begeisterte Hobby-Pilot vor, dass sein Unternehmen im vergangenen Jahr gleich zu Beginn durch den Jahrhundertsturm Kyrill "in Turbulenzen" geraten sei, aus denen es dann das ganze Jahr bekanntlich nicht mehr herauskam. Stichwort Bahnstreik: Auf 170 Millionen Euro bezifferte Mehdorn die Umsatzeinbußen durch den Ausstand der Lokführer. Er nennt das "widrige Umstände" und spricht von einem "organisationspolitischen Konflikt", der die Bahn über die kommenden fünf Jahre gut 1,5 Milliarden Euro kosten werde.
Und das soll alles gewesen sein, was Mehdorn zu diesem von beiden Seiten auch bis zur persönlichen Beleidigung geführten Tarifkonflikt sagt? Nicht ganz. Von "menschlichen Kombinationen" in der "schweren und langen" Auseinandersetzung redet er auch noch. Etwas kompliziert das alles und allein die Tatsache, dass Mehdorn sich beim Thema GDL-Streik auffällig oft in seinem Manuskript verhaspelt, zeigt vielleicht noch die gestauten Gefühle in dieser Sache.
Zur sehr nüchternen Bekanntgabe der einmal mehr gesteigerten Ergebnisse der Bahn im vergangenen Jahr (der Gewinn lag bei 1,72 Milliarden Euro), passte die etwas umständlich verkündete frohe Botschaft für die Kunden: "Wir werden unterjährig keine Preise erhöhen." Das Wort unterjährig vermutet man sonst eigentlich eher im Wortschatz von Finanzbeamten oder Steuerberatern. Vielleicht wollte Mehdorn aber auch einfach nicht zu laut posaunen, denn für das nächste Jahr wollte er sich noch nicht äußern.
Nächster Angriff: Bahnreform
Vermutlich ist der Zwist mit der GDL aber auch tatsächlich Vergangenheit. Denn ab heute steht mit der Sitzung der Bahnreform-Arbeitsgruppe der SPD unter Parteichef Kurt Beck mal wieder Mehdorns Lieblingsprojekt, die Teilprivatisierung des Konzerns, auf der Tagesordnung. Er glaube noch immer, dass ein teilweiser Börsengang in diesem Jahr zu schaffen sei, sagte Mehdorn. Die Planungen dafür liefen weiter und das Vorhaben sei unverzichtbar, um in Europa und weltweit konkurrenzfähig zu bleiben: "Um uns herum tobt der Bär", so der Bahnchef.
Beim Thema Teilprivatisierung kam denn auch zunehmend Druck auf Mehdorns Kessel. Während er SPD-Parteichef Beck ironisch lächelnd "große Weisheit" bei der Führung der Partei-Arbeitsgruppe wünschte, nahm er andere Politiker direkt unter Beschuss. Es gebe nur "ein paar" Privatisierungsgegner in der SPD, und die "sind eingehakt mit der Linkspartei". Namentlich der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer musste sich anhören, er sei "nicht im Thema drin" und wisse das auch.
Mehdorns Ideologie
Scheer hat im vergangenen Jahr maßgeblich die SPD-Parteitags-Entscheidung für eine Bahn-Privatisierung ausschließlich mit stimmrechtslosen Aktien betrieben. Die CDU lehnt dieses so genannte Volksaktien-Modell ab. Die Große Koalition will bis zum 28. April über die Zukunft der Bahn entscheiden. Im Gespräch ist in der SPD auch ein Holding-Modell von Finanzminister Peer Steinbrück und Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (beide SPD) bei dem 49 Prozent des Güter- und Personenverkehrs an Investoren verkauft werden sollen.
Für Mehdorn ist dieser Streit eine "ideologische Auseinandersetzung", bei der "dicke Tinte" aufgetragen werde. Damit es auch jeder mitbekommt, pocht der Bahnchef bei diesen Worten laut auf den Tisch. Und er wird noch mal grundsätzlich: Es gebe in Deutschland die Tendenz alles wegzulamentieren. Über die Privatisierung sei jahrelang debattiert worden, das bringe jetzt nichts mehr: "Alle haben da ihr Ei in die Pfanne getan", sagt Mehdorn.
Gerangel im Manager-Kessel
Dass auch Mehdorn selbst bei einem möglichen Holding-Modell sich ein schönes Omelette braten könnte, deutete er zum Ende seiner Pressekonferenz an. In Medienberichten hieß es bisher immer, dass Mehdorn sowohl Chef der Dach-Holding der Bahn, als auch einer teilprivatisierten Verkehrs- und Logistik-Tochterfirma werden wolle. Bestätigen wollte der Bahnchef das am Montag nicht ausdrücklich, es sei Sache des Eigentümers - also der Politik - das zu beschließen. Er mache aber keinen Hehl daraus, dass für eine gewisse Zeit eine "Personalkontinuität besser wäre". Bedeuten würde das allerdings, dass sich Mehdorn selbst kontrollieren würde.
Wenn es dazu tatsächlich käme, hätte Mehdorn bestimmt bis zum Ende seiner Amtszeit in drei Jahren noch genug Zeit immer mal wieder öffentlich ordentlich Druck aus seinem Manager-Kessel abzulassen. Denn diese - vorsichtig ausgedrückt - ungewöhnliche Machtkonzentration würden seine Kritiker ihm bestimmt regelmäßig genüsslich vorhalten.